Lukaschenko lässt sich bei Volksversammlung feiern
Bilder wie aus Sowjetzeiten in Minsk: Nach monatelangen Protesten inszeniert sich der belarussische Machthaber Lukaschenko als Sieger. Es wird eine neue Verfassung geben, verspricht er. Ein Belarus ohne ihn auch - irgendwann einmal.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein halbes Jahr nach der umstrittenen Präsidentenwahl in Belarus hat sich Machthaber Alexander Lukaschenko von Tausenden Staatsdienern als starker Anführer feiern lassen.
Bei der Allbelarussischen Volksversammlung gab sich der oft als «letzter Diktator Europas» kritisierte 66-Jährige zuversichtlich, die Massenproteste der vergangenen Monate ausgesessen zu haben. Es werde eines Tages zwar ein Belarus ohne ihn geben, erklärte Lukaschenko. Aber: «Verstehen Sie, nicht heute, nicht morgen, nicht übermorgen.» Die 2700 handverlesenen Delegierten im Saal bejubelten Lukaschenko nach rund vierstündiger Rede im Stehen.
Zum Auftakt des zweitägigen Kongresses kündigte Lukaschenko ausserdem eine neue Verfassung mit weniger Vollmachten für den Präsidenten an. Von ursprünglichen Andeutungen, über die Verfassungsänderung könnte bereits die Volksversammlung abstimmen, war schon lange keine Rede mehr gewesen. Stattdessen erklärte Lukaschenko nun, das Volk solle Anfang 2022 abstimmen. Zu Reformen gedrängt worden war Lukaschenko immer wieder vom Nachbarn Russland, von dessen Milliardenkrediten das verarmte Belarus wirtschaftlich abhängig ist. Experten bezweifeln aber, dass es dadurch echte Veränderungen geben wird.
Bei der Versammlung sollte auch ein neuer Fünfjahresplan beschlossen werden. Die Bilder der im belarussischen Staatsfernsehen übertragenen Veranstaltung, die zum sechsten Mal seit 1996 abgehaltenen wurde, erinnerten an sowjetische Parteitage. Lukaschenko zitierte auch den kommunistischen Revolutionsführer Lenin. Er schimpfte auf «unfreundschaftliche Schritte» des Westens, bot aber zugleich an, zu politischer und wirtschaftlicher Zusammenarbeit zurückzukehren. Während er sprach, veröffentlichte Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja eine Liste inhaftierter politischer Gefangener.
Die Delegierten, die Lukaschenko - dicht gedrängt und grösstenteils ohne Corona-Schutzmasken - zunickten und applaudierten, sollten offenbar auch darüber hinwegtäuschen, dass der Machthaber seit der Wahl am 9. August in einer schweren innenpolitischen Krise steckt. Unter anderem die EU hält die Wahl für gefälscht und erkennt Lukaschenko nicht mehr als Präsidenten an. Es wurden Sanktionen verhängt, kürzlich wurde Belarus ausserdem die Austragung der Eishockey-Weltmeisterschaft entzogen.
Bei monatelang andauernden Massenprotesten waren zu Spitzenzeiten Hunderttausende Belarussen auf die Strassen gegangen, um gegen Lukaschenko und für Tichanowskaja zu demonstrieren, die sie für die wahre Siegerin der Wahl halten. Sicherheitskräfte gingen oft gewaltsam gegen die Menschen vor, es gab mehr als 30.000 Festnahmen, Hunderte Verletzte und mehrere Tote.
Mittlerweile sind die Proteste stark abgeflaut und viele bezweifeln, dass es gelingen wird, sie noch einmal in vergleichbarem Ausmass zu entfachen. «Viele junge und aktive Leute haben inzwischen das Land verlassen», sagt etwa der Minsker Politologe Waleri Karbelewitsch.
Dass Tichanowskaja und Ex-Kulturminister Pawel Latuschko - beide mittlerweile ins Ausland geflüchtet - kürzlich zwei verschiedene Strategien vorgelegt haben, um Lukaschenko doch noch zu stürzen, dürfte dabei kaum helfen. Kommentatoren bemängeln die fehlende Schlagkraft einer gespaltenen Opposition. Lukaschenko betonte unterdessen erneut: An Demonstranten und Unruhestifter werde er «sein» Land nie hergeben.