Kollektivstrafen, Entführungen und Folter: Mit Berichten über Missstände in Tschetschenien machte die Menschenrechtsorganisation Memorial sich einen Namen.
Der russische Menschenrechtler Ojub Titijew im Gericht.
Der russische Menschenrechtler Ojub Titijew im Gericht. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ojub Titijew ist mit dem Vaclav-Havel-Preis des Europarates ausgezeichnet worden.
  • Der Menschenrechtler sitzt seit Monaten wegen angeblichen Drogenbesitzes in Haft.
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Der inhaftierte russische Menschenrechtler Ojub Titijew ist mit dem Vaclav-Havel-Preis des Europarates ausgezeichnet worden. Ein Stellvertreter nahm die Ehrung am Montag in Strassburg entgegen. Titijew, der knapp zehn Jahre lang das Büro der Menschenrechtsorganisation Memorial in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny leitete, sitzt seit Monaten wegen angeblichen Drogenbesitzes in Untersuchungshaft.

In einer verlesenen Nachricht des 61-Jährigen hiess es: Zwar sei Memorial zahlreichen Schikanen ausgesetzt. Sein eigenes Büro sei geschlossen worden, ein Kollege in der Nordkaukasusrepublik Dagestan sei auf offener Strasse verprügelt worden. «Aber es gibt eine Sache, von der ich überzeugt bin: Diese Arbeit, die Menschenrechte in Tschetschenien und Russland zu schützen, muss weitergehen, und internationale Solidarität kann uns dabei helfen.»

Todesdrohungen und Prozesse

Memorial befasst sich unter anderem mit Gräueltaten in Tschetschenien oder erinnert an die Verbrechen während der Stalin-Ära. In Russland steht die 1988 gegründete Organisation massiv unter Druck. Todesdrohungen und Prozesse gehören zum Alltag der Mitarbeiter. Auch der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow geht mit zunehmender Härte gegen die Menschenrechtler vor. Memorial hatte immer wieder über kollektive Strafmassnahmen, Entführungen und Folter in der islamisch geprägten Kaukasusrepublik berichtet.

Titijew wurde dort im Januar festgenommen. Die Ermittler behaupten, in seinem Wagen Marihuana gefunden zu haben. Der Aktivist wies die Vorwürfe wiederholt als Erfindung zurück. Seine Familie floh aus Furcht vor Verfolgung aus der Heimat.

Preis für Menschenrechtsaktivisten seit 2013

Mit dem Vaclav-Havel-Preis zeichnet die Parlamentarische Versammlung des Europarates seit 2013 Menschenrechtsaktivisten aus. Der Preis ist mit 60 000 Euro dotiert und benannt nach dem verstorbenen Bürgerrechtler und Präsidenten der Tschechischen Republik. Der Europarat hat zur Aufgabe, über die Menschenrechte in seinen 47 Mitgliedstaaten zu wachen - darunter Russland.

«Wir sind uns vollends bewusst, welchen Schwierigkeiten Herr Titijew und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgesetzt sind», sagte die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Liliane Maury Pasquier, bei der Preisverleihung. Der Preis sei «eine Nachricht an all diejenigen, die in dieser Region für die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte eintreten».

Titijew hatte im Jahr 2000 begonnen, für Memorial über Menschenrechtsverletzungen in der von zwei Kriegen traumatisierten Republik Tschetschenien zu berichten. Natalja Estrimowa, die vor ihm das Büro in Grosny leitete, war 2009 entführt und ermordet worden. Ihre verbrannte Leiche fand man später in der Nachbarrepublik Inguschetien. Bis heute ist der Fall nicht aufgeklärt.

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