Menschenrechtsgerichtshof weist Beschwerde von Tariq Ramadan ab
Tariq Ramadans Beschwerde gegen seine Verurteilung in Frankreich wurde vom europäischen Menschenrechtsgerichtshof abgelehnt.
Der europäische Menschenrechtsgerichtshof hat eine Beschwerde des Schweizer Islamwissenschaftlers Tariq Ramadan zurückgewiesen. Ramadan wehrte sich gegen eine Verurteilung in Frankreich wegen der Veröffentlichung von Identitätsangaben eines seiner mutmasslichen Vergewaltigungsopfer. Die französische Justiz habe die verschiedenen Elemente für die Verurteilung ausreichend abgeklärt, hielt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem am Donnerstag veröffentlichten Urteil fest. Die Vorinstanzen hätten die Interessen Ramadans und seines mutmasslichen Opfers ausreichend bedacht.
So hätten die französischen Strafbehörden in Betracht gezogen, dass die mutmasslich von Ramadan vergewaltigte Frau diverse Identitätshinweise in ihrem Blog selbst veröffentlicht hatte, darunter Fotos. Auch berücksichtigten sie gemäss dem EMRG die in diversen Medien bereits verbreitete Identität, bevor Ramadan in seinem Buch «Pflicht zur Wahrheit» und in Interviews ihren Namen nannte. Diese Elemente führten bei der Berufungsverhandlung vor dem Appellationsgericht in Paris zu einer Reduktion von Strafe und Schadenersatz zugunsten Ramadans.
Ramadan verstiess gegen Pressegesetz
Der Menschenrechtsgerichtshof hielt aber fest, dass Ramadan gegen das französische Pressegesetz verstossen hatte, das die Identität eines Opfers von sexuellen Übergriffen schützt. Einzig das schriftliche Einverständnis seines mutmasslichen Opfers hätte Ramadan zu eine Veröffentlichung der Identität berechtigt, beschieden die Strassburger Richter den Beschwerdeführer.
Die Entscheidung aus Strassburg steht in Zusammenhang mit dem im Februar 2018 in Frankreich eröffneten Verfahren gegen Tariq Ramadan wegen Vergewaltigung. Die Übergriffe gegen die von ihm widerrechtlich identifizierte Frau sollen sich 2012 in Paris ereignet haben. Weitere sexuelle Übergriffe auf andere Opfer soll Ramadan 2009 in Lyon begangen haben. Ramadan, gegen den 2019 Anklage erhoben wurde, klagte wegen Verleumdung.
Freispruch trotz Vorwürfen
Insgesamt ist Ramadan in Frankreich mit sechs Klagen wegen Vergewaltigung konfrontiert. Die Gerichtsverhandlungen fanden noch nicht statt, für den Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Im Mai 2023 sprach das Strafgericht Genf Ramadan vom Vorwurf der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung frei aus Mangel an materiellen Beweisen frei. Er war angeklagt, im Oktober 2008 eine Frau in einem Genfer Hotelzimmer vergewaltigt zu haben. Staatsanwaltschaft und die Anwälte der Klägerin kündigten Berufung an.