Mentale Gesundheit in Europa wegen Ukraine-Krieg eingebrochen
Der Ukraine-Krieg wirkt sich auf die mentale Gesundheit der Menschen in Europa aus. Bei vielen hinterlässt er grössere Spuren als etwa der Corona-Lockdown.
Das Wichtigste in Kürze
- In Europa hat die mentale Gesundheit mit dem Ukraine-Krieg im Schnitt abgenommen.
- Es habe verbreitet einen kollektiven Einbruch des Wohlbefindens gegeben.
- War der Krieg auf Social Media präsenter, war die Verfassung deutlich schlechter.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat messbar grössere Spuren bei der mentalen Gesundheit bei Menschen in Europa angerichtet als die Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 und der Corona-Lockdown im Jahr 2020. Auch in der Schweiz.
Das ist das Ergebnis einer Studie eines internationalen Forschungsteams mit Schweizer Beteiligung unter der Leitung der Psychologen Julian Scharbert und Mitja Back von der deutschen Universität Münster. Das Ergebnis wurde am Dienstag im Fachmagazin «Nature Communications» veröffentlicht.
Kollektiver Einbruch
Der Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor fast zwei Jahren habe verbreitet zu einem kollektiven Einbruch des Wohlbefindens geführt – unabhängig von Alter, Geschlecht, politischer Orientierung oder sonstigen Eigenschaften der befragten Personen. Das teilte die Uni Münster über das Ergebnis mit. In die Studie flossen auch Daten aus der Schweiz ein.
Die von Ende 2021 bis Sommer 2022 durchgeführte Studie ermöglichte eine Untersuchung der täglichen Stimmungsverläufe in den Wochen des Kriegsausbruchs. «Normalerweise ist es nicht möglich, derart einschneidende Ereignisse in einem präzisen Zeitfenster bei gleichzeitiger geografischer Breite zu untersuchen», sagte Professor Back.
Die Daten seien einzigartig. Sie stammen aus dem Projekt «Coping with Corona», bei dem weltweit das Wohlbefinden der Menschen in der Coronapandemie abgefragt wurde.
Keine Daten zur Ukraine und Russland
Das Ergebnis zeige, dass die Menschen in Europa im Vergleich zum Rest der Welt ein deutlich niedrigeres Wohlbefinden gehabt hätten. Dabei gab es keinen direkten Zusammenhang zwischen starker Betroffenheit und aktiver Solidarität wie Spendenbereitschaft oder Teilnahme an Demonstrationen. Wenn der Krieg in der Ukraine in den sozialen Medien besonders stark präsent war, gab es eine durchschnittlich schlechtere mentale Verfassung bei den Befragten.
«Neben den offensichtlichen Folgen des Krieges wie Flucht oder unterbrochenen Versorgungsketten gibt es eine weniger offensichtliche Dimension: die Auswirkungen der täglichen Nachrichten und Bilder auf die Psyche», sagte Scharbert laut Mitteilung.
Ein Hinweis der Studienautoren: Menschen in der Ukraine und Russland seien psychisch vermutlich ungleich grösser belastet – Daten zu diesen Ländern liegen allerdings nicht vor.