Monte Mottarone: Ein Jahr nach Gondelunglück – Untersuchungen laufen
Am Pfingstsonntag 2021 stürzt eine Gondel am Monte Mottarone ab und reisst 14 Menschen in den Tod, ein Junge überlebt. Die Justizsaga ist längst nicht zu Ende.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 23. Mai 2021 stürzte am Monte Mottarone eine Gondel ab, 14 Menschen starben.
- Die Justiz ermittelt gegen zwölf Menschen – die Untersuchungen laufen weiterhin.
- Das Gutachten der Experten wird für den 30. Juni erwartet.
Ein junges Pärchen steht vor einer verbarrikadierten Gittertür am Lago Maggiore in Norditalien. Über dem Zugang heisst es in grossen Buchstaben auf Italienisch: Seilbahn Stresa-Mottarone.
«Ist da zu?», fragen sich die beiden. Ein Jahr nach dem Gondelabsturz mit 14 Todesopfern ist die Anlage immer noch wegen der Untersuchungen beschlagnahmt.
Am 23. Mai 2021 passierte kurz vor Mittag der Unfall: 15 Menschen befinden sich in der Kabine Nummer drei, die davor ist, in die Bergstation einzufahren. Plötzlich reisst das Zugseil, die Gondel rauscht talwärts.
Auf Bildern einer Überwachungskamera ist zu sehen, wie die Kabine an der nächsten Seilbahnstütze aus der Verankerung springt und abstürzt. Sie zerschellt an einem steilen Hang zwischen den Bäumen.
Gutachten Ende Juni erwartet
Für die Insassen gab es kein Entkommen. Nur der kleine Eitan aus Israel überlebte schwer verletzt. Seine Eltern, sein Bruder und die Urgrosseltern sowie die übrigen Passagiere nicht.
Das Unglück wäre verhindert worden, hätten die für solche Fälle vorgesehenen Notbremsen an einem zweiten Seil, dem Tragseil, gegriffen. Diese waren allerdings durch eine Gabelvorrichtung blockiert, weil sie zuvor für Störungen im Betrieb gesorgt haben sollen.
Die Justiz ermittelt gegen zwölf Menschen, wie die Staatsanwältin Olimpia Bossi sagt. Monatelang lag das Wrack noch am Hang - es wurde erst im November abtransportiert.
Das Gutachten der Experten wird für den 30. Juni erwartet. Erst danach ist laut Bossi klar, wie es weitergeht. Der «Corriere della Sera» berichtete unter Berufung auf einen Informanten, dass vermutet werde, das gerissene Zugseil sei von innen gerostet.
«Wir werden den Grund für den Absturz sowieso nie erfahren», sagt ein älterer Herr in einem Café in Stresa. «Wir sind hier eben in Italien», ergänzte er mit einem Schulterzucken. Jetzt werde wieder zehn Jahre lang ein Prozess geführt, und am Ende würden alle freigesprochen, vermutet sein Tischnachbar.
Sorgerechtsstreit um Jungen, der überlebte
Der kleine Eitan kam nach der Katastrophe zu seiner Tante väterlicherseits, die in Pavia in der Lombardei wohnt. Um das Kind entbrannte ein Sorgerechtsstreit mit der Verwandtschaft in Israel. Er gipfelte darin, dass der Grossvater mütterlicherseits den Jungen am 11. September für einen vereinbarten Besuch abholte, dann aber mit einem Komplizen über die Schweiz nach Israel ausflog.
Dort stritten sich die Parteien durch sämtliche Instanzen. Das Höchste Gericht in Jerusalem entschied im November, der Junge müsse zurück nach Italien gebracht werden. Danach hielt sich die Familie von Eitans Grossvater in den Medien sehr zurück.
Eitan wurde laut Medien in Israel geboren, zog aber kurz nach der Geburt mit den Eltern nach Italien. Seine Tante Aya Biran-Nirko sagte, Pavia sei die Heimat des Jungen, der im September hätte eingeschult werden sollen. Auch das Gericht in Jerusalem fand: «Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Lebensschwerpunkt des Minderjährigen vor seiner Entführung nach Israel in Italien war.»
Vor dem Jugendgericht
Ausgestanden war die Sache damit aber immer noch nicht. In Italien geht der Rechtsstreit um das Sorgerecht vor dem Jugendgericht weiter, das eine dritte Person als Vormund einsetzte.
Was indes aus der Seilbahn passiert, ist unklar. Anfang Mai trafen sich dazu Politiker und Sachverständige, wie Bürgermeisterin Marcella Severino erklärt. Es wird eine sichere und «innovative» Anlage binnen kurzer Zeit gefordert. Severino sprach sich dafür aus, darüber nachzudenken, die Planung einem Star-Architekten zu übergeben.