Nahles tritt wieder auf - und vermisst die Politik nicht
Andrea Nahles war vieles. Vor allem die erste Frau an der SPD-Spitze. Nach dem Rücktritt meldet sie sich in ihrer Eifel-Heimat wieder zu Wort. Und sie zeigt sich dabei nachdenklich.
Das Wichtigste in Kürze
- Andrea Nahles (49) wollte eigentlich nicht über die SPD reden.
Aber so ganz liess es sich doch nicht vermeiden.
Anfang Juni hatte sie sich mit einem «Machen Sie’s gut» in Berlin aus dem Amt der SPD-Vorsitzenden und auch aus dem Scheinwerferlicht des Politikbetriebes verabschiedet - nun tauchte sie in der Benediktinerabtei Maria Laach in Glees wieder auf. Ein Heimspiel in beschützender Umgebung sozusagen: Die Abtei liegt nur etwa 15 Kilometer von ihrem Wohnort im Eifeldorf Weiler entfernt.
«Klar fühle ich mich wohl hier in Maria Laach», sagte Nahles nach eineinhalb Stunden im mächtigen Kloster, das eine fast 1000-jährige Geschichte hat. Hinter den hohen Mauern war 1933 Konrad Adenauer ein Jahr lang vor den Nazis untergetaucht. Und Andrea Nahles hat hier in früheren Jahren auch schon oft gebetet. Sie ist Mitglied im Verein der Freunde des Klosters, kennt viele Menschen in der Abtei. Aus der Klosterwerkstatt von Maria Laach hatte die bekennende Katholikin ein Kreuz für ihr Büro mitgenommen, als sie aus der heimatlichen Eifel nach Berlin zog, um dort in der Bundespolitik mitzumischen.
Erst gegen Ende der Veranstaltung, nachdem viel über Gleichberechtigung geredet worden war, wird sie gefragt, ob sie für dieses Ziel denn künftig auch im Bundestag kämpfen werde. Noch ist die einstige SPD-Vorsitzende Bundestagsabgeordnete. Und bisher hat sie sich mit klaren Aussagen darüber zurückgehalten, ob und wann sie ihr Mandat aufgeben will.
Zunächst zog sie sich auf die Formel «Die Frage wird sich zügig, zeitig und in absehbarer Zeit beantworten» zurück. Um dann doch noch hinzuzufügen: «Man muss auch manchmal wissen, wenn man etwas Neues anfangen muss.» Ende der Durchsage. Später antwortete sie auf die Frage, ob ihr nach dem Rücktritt vom SPD-Chefposten etwas fehle, kurz: «Nein.»
Aber natürlich konnte Nahles über die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht reden, ohne auch über eigene Erfahrungen zu sprechen. Und damit auch über die SPD. «Ich bin in die Vorstände und Präsidien gekommen, aber die Macht war ein flüchtiges Reh», erinnerte sie sich an die eigene Karriere. Die Frau, die der damalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine ein «Gottesgeschenk an die SPD» genannt hatte, sagte über den Grund für mangelnde Macht von Frauen in wichtigen Gremien: «Die Jungs haben sich vor und nach dem Präsidium getroffen.»
Und dann fügt sie vor rund 300 Zuhörern über ihre Zeit als SPD-Vorsitzende noch hinzu: «Als ich dann an der Spitze war, da gab es nicht so viele Zirkel, wo ich nicht dabei war. Aber doch zu viel.»
In Sachen Gleichberechtigung sei noch viel zu tun, das war Nahles' Botschaft. Es gebe «einen Rollback, es geht wieder rückwärts», befand sie. Der Frauenanteil im Bundestag sei von 36 Prozent in der vergangenen Legislaturperiode auf nun 30 Prozent gesunken. Noch schlimmer sehe es in den Chefetagen der grossen Unternehmen aus. Und: «Mir scheinen auch die materiellen Voraussetzungen für Gleichberechtigung noch nicht da zu sein.»
2009 hatte sie eine Art politischer Autobiografie unter dem Titel «Frau, gläubig, links» geschrieben. Beispielsweise gehörte der Satz «Man kann nicht durch das beste politische Programm die letzten Menschheitsfragen klären» zu ihrem politischen Credo. Die Religion trieb sie auch an diesem Abend im Kloster um. Wie es mit den Frauen und der Gleichberechtigung in der katholischen Kirche sei, wurde sie gefragt. Nein, sie fordere keine weiblichen Priester, versicherte sie. Aber: «Das Diakonat für Frauen ist erreichbar zu meinen Lebzeiten. Und dafür werde ich mich einsetzen.»