Lange war die Aussage des Hauptangeklagten im Prozess um die Pariser Terroranschläge erwartet worden. Salah Abdeslam redet bereitwillig - aber er zeigt weder Mitgefühl noch Beileid.
Islamischer Staat
Die Gerichtszeichnung zeigt Salah Abdeslam, den Hauptverdächtigen der Pariser Anschläge. (Archivbild) - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Umgänglich, auskunftswillig und freundlich im Auftreten: Auf den ersten Blick wirkt der junge Mann im weissen Hemd, der am Mittwoch im schwer bewachten Pariser Gericht aussagt, nicht wie ein gewaltbereiter Islamist.
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Dabei handelt es sich bei Salah Abdeslam um den Hauptangeklagten im Prozess um die islamistischen Terroranschläge 2015 in der französischen Hauptstadt mit 130 Toten. Mit Spannung war seine erste Befragung erwartet worden - und Abdeslam redet über Stunden zu dem verheerenden Blutbad im Namen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), das Frankreich ins Mark traf und viele traumatisierte Überlebende und Angehörige hinterliess.

130 Menschen Tote und 350 Verletzte

Über Wochen hatten diese als Zeugen vor Gericht über das Grauen der Anschläge, Leid und Trauer berichtet - und den Versuch des Begreifens, weshalb es zu dem Massaker mit Sprengstoffgürteln und Kalaschnikow-Gewehren kam. Warum - und wie überhaupt können Menschen anderen so etwas antun? Was geht im Kopf eines solchen Täters vor? Das sind die Fragen, die am Mittwoch im eigens für den Prozess geschaffenen Gerichtssaal im Raum stehen. Antworten erhofft man sich von Abdeslam als einzigem Überlebenden des Terrorkommandos, das im Konzertsaal «Bataclan» sowie in Bars und Restaurants 130 Menschen erschoss und 350 verletzte.

Abdeslam soll in Paris einen Sprengstoffgürtel gehabt, ihn aber nicht gezündet, sondern in einem Vorort weggeworfen haben, wo dieser später gefunden wurde. «Ich habe niemanden getötet und niemanden verletzt», sagt der 32-Jährige. Er habe sich umentschieden, dennoch drohe ihm eine hohe Strafe, das Gericht wolle an ihm ein Exempel statuieren, fürchtet er. Verantwortung übernehmen, Fehler eingestehen, darum geht es nicht in Abdeslams Erklärung zum Start seiner Befragung durch den Vorsitzenden Richter. Der könnte vom Alter her sein Vater sein und lässt sich auf eine längere, politisch-religiöse Diskussion mit dem Angeklagten ein, fast rücken die Anschläge in den Hintergrund.

«Ich bin aufseiten des IS, ich liebe ihn»

Zweifel sind von Abdeslam bei seiner Befragung nicht zu hören, obwohl er seinen Sprengstoffgürtel - anders als ein mitbeteiligter Bruder von ihm - nicht zündete. «Ich bin aufseiten des IS, ich liebe ihn.» Der Westen drücke dem Rest der Welt seine Werte auf, richte in muslimischen Ländern Militärbasen ein, um von dort aus Muslime zu töten, erzählt er. Dagegen kämpfe der IS. «Das finde ich legitim.» Das Leid von Zivilisten im Bürgerkrieg in Syrien habe ihn zum IS getrieben. Den Einwand des Richters, dass es auch anderen Widerstand gegen das Regime von Baschar al-Assad gibt, wischt er beiseite. Dieser sei demokratisch, ihm gehe es um eine islamische Ordnung.

Selber Schuld - so lautet verkürzt die Rechtfertigung, die Abdeslam sich für das Blutbad konstruiert hat und vor Gericht ohne ein Wort des Beileids vorbringt. Es habe sich um eine Verteidigungsaktion des IS für französischer Angriffe gegen Islamisten in Syrien mit zivilen Opfern gehandelt, um eine Militäraktion zum Schutz der Grenzen des IS-Gebiets.

Die Verantwortung dafür trage Frankreichs damaliger Präsident François Hollande. «Wegen Hollande sind wir heute hier.» Das Gemetzel auf Café-Terrassen habe mit einer Militäraktion nichts zu tun, meint der Richter. Der IS habe eben keine Flugzeuge oder Hubschrauber zur Verteidigung vor Ort gehabt und deshalb «mit Bordmitteln» in Paris zugeschlagen, kontert der Angeklagte lapidar.

«Glaubten Sie wirklich, dass das die französische Politik verändert», fragt der Richter, um die Motivation für die Anschläge zu ergründen. Eine klare Antwort bleibt Abdeslam schuldig. Worte des Mitgefühls, der Würdigung des hundertfachen Leids, sie kommen an dem lange erwarteten Prozesstag von Abdeslams Mutter. Das Gericht verliest einen von ihr verfassten Brief. Darin wendet diese sich auch an die anderen Mütter, die Kinder bei den Anschlägen verloren haben, wie sie einen ihrer Söhne, der zum Selbstmordattentäter wurde. Vom Gericht will sie, dass es Recht spricht, wie sie schreibt, auch für ihren jüngeren Sohn Saleh, der niemanden getötet habe.

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