Polen will Streit um Justizreform vor EU-Gericht austragen
Das Wichtigste in Kürze
- Polen will seine Justizreform durchziehen.
- Dafür gehe man auch bis vor den EuGH, sagte der Aussenminister.
Polens Regierung will den Justizstreit um die Zwangspensionierung oberster Richter auf ein Verfahren vor dem EU-Gerichtshof (EuGH) hinauslaufen lassen. «Es ist vielleicht der geeignete Weg, diese Angelegenheit dem EuGH zu übergeben», sagte Aussenminister Jacek Czaputowicz am Montag im öffentlich-rechtlichen Fernsehen TVP.
Die EU-Kommission hatte im Dauerstreit um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz im Juli den Druck auf das Land erhöht und ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, zu dem Polen noch offiziell Stellung nehmen muss.
Polen verstosse mit dem Gesetz gegen Pflichten aus dem EU-Vertrag in Verbindung mit der Europäischen Grundrechtecharta, sagt die Brüsseler Behörde. Können sich Brüssel und Warschau nicht einigen, landet der Streit am Ende vor dem EU-Gericht.
PiS-Partei sieht sich im Recht
Die PiS-Regierung sieht sich jedoch im Recht. «Wir haben das Recht, das Justizsystem zu reformieren, die Reform entspricht den geltenden EU-Standards», meinte Czaputowicz. Laut PiS soll das Gerichtswesen unabhängiger und effektiver werden.
Die Partei argumentiert, viele Richter seien korrupt. Polen sei bereit, seine Rechte vor dem EuGH zu verteidigen, betonte Czaputowicz. Er schlug aber zunächst vor, zu beobachten, wie die Gesetze funktionierten. Sollten sich Befürchtungen Brüssels um die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit bestätigen, schloss er «eventuelle Änderungen» nicht aus.
Laut Kritikern hingegen will die populistische PiS mit der seit Juli greifenden Herabsenkung des Pensionsalters für oberste Richter von 70 auf 65 Jahre missliebige Juristen loswerden.
Rechtsstaatsverfahren eingeleitet
Bereits im Dezember hatte die EU-Kommission erstmals in der Geschichte der EU ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gegen Polen gestartet - wegen möglicher Gefährdung von EU-Grundwerten.
Das Rechtsstaatsverfahren kann bis zum Entzug des Stimmrechts führen. Um das zu erreichen, müssen jedoch alle EU-Mitgliedstaaten dafür stimmen - was kaum der Fall sein dürfte. Deshalb hatte wohl die Brüsseler Behörde auch ein zweites Verfahren, ein Vertragsverletzungsverfahren, im Juli eingeleitet.