Premier Sunak droht Debakel bei Kommunalwahlen in England
Die heutigen Kommunalwahlen in England gelten auch als Gradmesser für die Regierung von Premier Rishi Sunak. Aktuell sieht es für seine Tories nicht gut aus.
Die Fragen nerven Rishi Sunak zunehmend. Wann wählt Grossbritannien ein neues Parlament? Und was ist mit den miserablen Umfragewerten seiner Konservativen Partei? Im Gespräch mit dem Sender Sky News reagiert der britische Premierminister jüngst dünnhäutig.
Das sei nun schon die vierte oder fünfte Frage nach «Umfragen und Politik», mault Sunak. Auch wenn er das Datum für die Parlamentswahl nicht verrät – an diesem Donnerstag (2. Mai) muss sich Sunak mit der Kommunalwahl in England einem Test stellen.
Experten rechnen mit hohen Verlusten
Es dürfte erneut ein schlechter Tag für die Konservativen werden, wie so oft in der jüngeren Vergangenheit. Offiziell geht es um lokale Themen wie Schlaglöcher und Schulen. Doch tatsächlich steht die Tory-Regierung in London nach 14 Jahren im Amt am Pranger.
Auch Mitglieder gehen davon aus, dass die Partei im grössten britischen Landesteil in Dutzenden Gemeinden Hunderte Sitze verliert. Kommentatoren sprechen von «expectation management», Erwartungsmanagement. Die Tory-Taktik laute: Wer mit wenig rechnet, kann nicht hoch verlieren.
Meuterei bei den Tories?
Dennoch dürften nach einer herben Klatsche wieder Diskussionen über Sunaks politische Zukunft beginnen. Zwar rechnen moderate Tories nicht mit einem neuen Machtkampf, wie Ex-Verteidigungsminister Ben Wallace der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Doch für Mitglieder des rechten Parteiflügels könnte eine schlechte Lokalwahl die letzte Chance sein, Sunak zu stürzen, schreibt die Zeitung «Telegraph». Dem Politikwissenschaftler Tony Travers von der London School of Economics (LSE) zufolge verläuft die Grenze zwischen einem glimpflichen und schlechten Ergebnis für die Tories bei etwa 500 verlorenen Sitzen landesweit.
Wahlergebnisse sollen Samstag bekannt gegeben werden
Das Ergebnis der Bürgermeisterwahl in London, das erst am Samstag verkündet werden soll, dürfte dabei keine Rolle spielen. Das Rennen scheint nie richtig begonnen zu haben, so wenig bringt die konservative Kandidatin Susan Hall den Amtsinhaber Sadiq Khan von der Labour-Partei in Bedrängnis.
22 Punkte Vorsprung habe der Sozialdemokrat, ermittelt das Meinungsforschungsinstitut YouGov. Professor Travers geht davon aus, dass es knapper ausgehen dürfte. Trotzdem wäre eine Khan-Niederlage eine echte Überraschung, so Travers.
Eskalierende Gewalt in London
Dabei ist Khan nicht unumstritten. Die Messergewalt ist in den vergangenen Jahren konstant gestiegen. 2023 waren es 14 577 Vorfälle, 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor, wie Zahlen der Metropolitan Police zeigen.
Erst am Dienstag tötete ein Mann mit einem Schwert einen 14-Jährigen und verletzte vier Menschen schwer, darunter zwei Polizisten. Auch dass Khan die Umweltzone aufs gesamte Stadtgebiet ausdehnte, dürfte Labour Stimmen bei Pendlern und Handwerkern kosten, die neue Fahrzeuge anschaffen müssen.
Die Herausforderin scheint dennoch keine Chance zu haben. Viele Wähler sehen Hall nicht als einigende Kraft in der Weltstadt London mit ihren rund neun Millionen Einwohnern aus aller Welt. Kritiker werfen ihr rassistische und islamophobe Ansichten vor. Zudem hatte sie Ex-US-Präsident Donald Trump gelobt, der in London kritisch gesehen wird.
Hoffen auf die Midlands
Auch die Labour-Bürgermeister in Metropolregionen wie Manchester und Liverpool sitzen fest im Sattel. Einen Hoffnungsschimmer habe Premier Sunak noch, schrieb der «Telegraph». Umfragen zufolge können die konservativen Bürgermeister der Regionen West Midlands und Tees Valley im Nordosten mit ihrer Wiederwahl rechnen.
Andy Street und Ben Houchen sind populärer als Sunak oder die Konservative Partei – auch weil sie eine allzu grosse Nähe zum Premier vermeiden. Ihr Erfolg könnte ein völliges Debakel am Wahltag verhindern.
Warten auf die Parlamentswahlen
Spätestens im Januar 2025 muss die Parlamentswahl stattfinden, aber den genauen Termin darf der Premier festlegen. Stand jetzt setzt Sunak auf Zeit. Er hofft, dass positive Wirtschaftsdaten die Stimmung verbessern oder Labour-Chef Keir Starmer, der bereits als Regierungschef in spe gilt, einen Fehler macht.
Starmer müsse Farbe bekennen und sich an seinen Plänen messen lassen, forderte Ex-Verteidigungsminister Wallace im dpa-Gespräch. Die LSE-Politikwissenschaftlerin Sara Hobolt, die sich auf Meinungsforschung spezialisiert hat, sieht das anders: Dass Labour in Umfragen inzwischen einen stabilen Vorsprung habe, liege vor allem daran, dass die Tories fast in allen Bereichen als inkompetent gälten, sagt sie.
Am Dienstag berichtete die «Times», dass Sunak für den 3. Juli seine Fraktion zum Abschluss der Sitzungsperiode zum Barbecue eingeladen habe. Beobachter werteten dies als Zeichen, dass es keine Sommerwahl geben wird. Für viele Tories, die um ihre Sitze fürchten, dürfte dies aber nur einen Aufschub bedeuten.