Regierungsberater: «Pkw-Nutzung unattraktiver machen»

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Deutschland,

Führende Berater der Bundesregierung in Umweltfragen stellen der deutschen Klimapolitik ein ziemlich mieses Zeugnis aus. Sie schlagen auch ganz konkrete Schritte vor - unter anderem, das Autofahren weniger attraktiv zu machen.

Die Pkw-Maut ist eines der Instrumente, mit denen Regierungsberater das Autofahren in den Städten unattraktiver machen wollen. Foto: Jens Büttner/zb/dpa
Die Pkw-Maut ist eines der Instrumente, mit denen Regierungsberater das Autofahren in den Städten unattraktiver machen wollen. Foto: Jens Büttner/zb/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Um Rad- und Fussverkehr zu fördern und den Klimaschutz voranzubringen, empfehlen Regierungsberater eine Pkw-Maut und teurere Parkgebühren in Städten.

Neben der Stärkung umweltfreundlicher Verkehrsmittel seien «Massnahmen unerlässlich, die eine individuelle Pkw-Nutzung unattraktiver machen», heisst es in einem Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen.

Die Möglichkeiten, Parkgebühren zu verlangen, müssten ausgeweitet und die Deckelung der Gebühren für Anwohner aufgehoben werden. Der Rat plädiert zudem für eine Pkw-Maut, die sich an der Fahrstrecke, Schadstoff-, Lärm- und CO2-Emissionen richtet.

«Eine bundesweite Maut erzielt eine deutlich bessere Lenkungswirkung als eine City-Maut und vermeidet einen Flickenteppich aus verschiedenen Regelungen in deutschen Städten», heisst es im Gutachten.

Eine City-Maut - also eine Art Gebühr fürs Fahren in Städten - reduziere die Zahl einfahrender Fahrzeuge in ein definiertes Gebiet und wirke somit nur in den Städten. «Diese Reduzierung von Pkw in der Stadt lässt sich mit einer stringenten Parkraumbepreisung ebenso gut erreichen», argumentiert der Rat.

Ein Mitglied des siebenköpfigen Gremiums, Lamia Messari-Becker von der Universität Siegen, trägt das Kapitel des Gutachtens nicht mit. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen berät die Bundesregierung schon seit 1972 in Fragen der Umweltpolitik.

Er besteht aus Professorinnen und Professoren verschiedener Disziplinen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, die Corona-Pandemie habe vor Augen geführt, dass Wissenschaftliche Unterstützung und Beratung unverzichtbar seien für die Politik. Man sei gut beraten, die Expertise «in allen zentralen Politikbereichen bestmöglich zu nutzen».

Das Gutachten trägt den Titel «Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa». Der Umweltrat stellt darin der deutschen Klimapolitik ein miserables Zeugnis aus. Die nationalen Ziele seien zu niedrig, zudem seien sie wiederholt nicht erreicht worden. Ausserdem sei nicht klar, «welches Gesamtbudget an Treibhausgasen der deutschen Klimapolitik zugrunde liegt», heisst es im Gutachten.

Der Budget-Ansatz geht davon aus, dass jedes Land nur noch eine bestimmte Menge Treibhausgase ausstossen darf, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad, zu begrenzen - wie es das Pariser Klimaschutzabkommen vorsieht. Im Abkommen gibt es aber keine Budgets. Die Bundesregierung lehnt den Budget-Ansatz ab.

Der Umweltrat dagegen empfiehlt der Regierung, ihre Klimapolitik an einem langfristigen CO2-Budget auszurichten. «Ein ausreichendes, faires und angemessenes deutsches CO2-Budget beträgt maximal 6,7 Milliarden Tonnen CO2 ab 2020», erklärte Wolfgang Lucht von der Berliner Humboldt-Universität. «Bei linearer Reduktion muss Deutschland schon 2038 CO2-neutral sein, nicht erst 2050.» CO2-neutral bedeutet, dass unterm Strich keine zusätzlichen Treibhausgase mehr ausgestossen werden. Verbleibende Emissionen müssten dann ausgeglichen werden.

Dem Gutachten voran stellt der Rat wenig optimistische Worte: «Die Appelle der Wissenschaft, die natürlichen Lebensgrundlagen besser zu schützen und zu bewahren, drohen zu einem bedrückenden Ritual zu werden», heisst es da. Es mangele nicht an Erkenntnissen, auch die notwendigen Technologien seien da. «Da sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft den ökologischen Herausforderungen aber viel zu zögerlich stellen, wächst die Kluft zwischen dem Erreichten und dem Notwendigen.» Innovationen und Effizienzsteigerungen seien wichtig, reichten aber nicht mehr: «Auch unsere Wirtschafts- und Lebensweisen müssen sich verändern, um ökologische Grenzen einzuhalten.»

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