Revisionen eingegangen: Bundesgerichtshof prüft NSU-Urteil

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Deutschland,

Mit dem Urteil im NSU-Prozess ging 2018 ein Mammutverfahren zu Ende. Aber noch ist es nicht rechtskräftig. Hat die Verurteilung Beate Zschäpes als Mittäterin der Morde und Anschläge in Karlsruhe Bestand?

Der BGH muss über die Revisionen von Beate Zschäpe und dreier Mitangeklagter entscheiden. Foto: picture alliance / Peter Kneffel/dpa
Der BGH muss über die Revisionen von Beate Zschäpe und dreier Mitangeklagter entscheiden. Foto: picture alliance / Peter Kneffel/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Zweieinhalb Jahre nach der Urteilsverkündung im NSU-Prozess rückt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) über die eingelegten Revisionen näher.

Seit Dienstag liegen diese den obersten Strafrichtern in Karlsruhe vor, wie der Gerichtshof mitteilte. Der für Staatsschutzdelikte zuständige 3. Strafsenat werde sich nun einarbeiten und das Urteil «einer eingehenden rechtlichen Prüfung unterziehen». Dies werde voraussichtlich einige Monate in Anspruch nehmen. Weitere Angaben zum Verfahrensfortgang, insbesondere zu einer Hauptverhandlung, könnten noch nicht gemacht werden.

Das Mammutverfahren um die Morde und Anschläge der Neonazi-Terrorzelle «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) war am 11. Juli 2018 nach mehr als fünf Jahren und über 400 Verhandlungstagen zu Ende gegangen. Das Oberlandesgericht (OLG) München verurteilte Beate Zschäpe, die einzige Überlebende des Trios, als Mittäterin zu lebenslanger Haft - auch wenn es keinen Beweis gibt, dass sie selbst an einem der Tatorte war. Ausserdem stellten die Richter die besondere Schwere der Schuld fest.

Der BGH muss über die Revisionen der 46-Jährigen und dreier Mitangeklagter entscheiden. Die Bundesanwaltschaft, die die Anklage geführt hatte, ficht das Urteil gegen André E. an, das überraschend milde ausgefallen war. Eine fünfte Verurteilung ist rechtskräftig.

Zschäpe hatte fast 14 Jahre mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. In dieser Zeit ermordeten die Männer acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. 2011 nahmen sie sich das Leben, um der drohenden Festnahme zu entgehen. Zschäpe zündete die gemeinsame Wohnung an, verschickte ein Bekennervideo und stellte sich.

Das OLG hatte Ende April 2020 auf 3025 Seiten die Urteilsgründe vorgelegt. Darin kommen die Richter zu dem Schluss, dass Zschäpe «jeweils gemeinschaftlich und vorsätzlich handelnd in 10 Fällen einen Menschen heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen getötet» hat. Sie habe die Anschlagsziele mit ausgewählt und den Männern eine sichere Rückzugsmöglichkeit geschaffen. Nur durch die «örtliche Aufteilung» sei gesichert gewesen, dass der «ideologische Zweck der Gewalttaten» erreicht würde. Tatsächlich war die rassistische Motivation erst durch das Bekennervideo öffentlich geworden.

Die beiden Verteidiger-Teams Zschäpes hatten im Münchner Prozess den Freispruch ihrer Mandantin gefordert. Sie selbst hatte in schriftlichen Einlassungen geltend gemacht, sie habe von den Morden und Anschlägen immer erst im Nachhinein erfahren.

Ralf W. war als Waffenbeschaffer des NSU-Trios wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Holger G. und André E. verurteilten die OLG-Richter wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu drei Jahren und zweieinhalb Jahren Haft. Alle drei befinden sich derzeit auf freiem Fuss.

Die Bundesanwaltschaft hatte eine Verurteilung E.'s wegen Beihilfe zum versuchten Mord angestrebt. Er soll ein Wohnmobil angemietet haben, mit dem die Täter für einen Bombenanschlag nach Köln fuhren.

Zschäpe war im Februar 2019 von München-Stadelheim in die Justizvollzugsanstalt Chemnitz verlegt worden. Sie stammt eigentlich aus Jena in Thüringen, hatte aber viele Jahre mit Böhnhardt und Mundlos in Sachsen im Untergrund gelebt, unter anderem in Chemnitz.

Beim BGH hat das Verfahren das Aktenzeichen 3 StR 441/20. Der Senat mit dem Vorsitzenden Richter Jürgen Schäfer (58) prüft das Urteil ausschliesslich auf Rechtsfehler. Es werden also keine Zeugen mehr gehört. Hält das Urteil der Überprüfung stand, wird es rechtskräftig. Haben die Revisionen Erfolg, heben die Richter es ganz oder teilweise auf. Im äussersten Fall müsste der Prozess von vorn beginnen.

Der fünfte Angeklagte hatte seine Revision zurückgezogen. Er ist seit Mitte 2020 frei, nachdem der Rest seiner dreijährigen Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er hatte gestanden, dem NSU die «Ceska»-Pistole übergeben zu haben, mit der später neun Morde begangen wurden. Er war wegen Beihilfe verurteilt worden.

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