Lambrecht warnt vor Naivität im Umgang mit Russland

DPA
DPA

Belgien,

Moskaus Behauptungen über einen Truppenabzug waren wohl weit von der Wahrheit entfernt. Nach US-Berichten hat Russland seine Präsenz an der Grenze zur Ukraine sogar aufgestockt. Lambrecht übt Kritik.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bei einer Sitzung der Nato-Verteidigungsminsiter in Brüssel. Foto: Olivier Matthys/AP/dpa
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bei einer Sitzung der Nato-Verteidigungsminsiter in Brüssel. Foto: Olivier Matthys/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat davor gewarnt, Russland in der aktuellen Lage zu grosses Vertrauen entgegenzubringen.

«Wir haben erlebt, dass es in dieser Woche erste Signale gab, zur Deeskalation beitragen zu wollen von russischer Seite», sagte sie am Donnerstag am zweiten Tag von Nato-Beratungen in Brüssel. «Diesen Worten darf man aber nicht mit Naivität begegnen, sondern diesen Worten müssen jetzt Taten folgen - und zwar Taten, die dann auch tatsächlich zur Deeskalation beitragen.»

Zu russischen Angaben zu einem Teilabzug sagte die SPD-Politikerin: «Also, was wir nicht feststellen können durch die Informationen, die uns vorliegen, ist, dass es tatsächlich zu einem Abzug bisher gekommen ist. (...) Es gibt bisher nur Worte, bisher noch keine Taten. Die müssen jetzt dringend folgen.»

Zuvor hatte die US-Regierung den von Moskau angekündigten Teilabzug russischer Truppen zur Entspannung des Ukraine-Kriegs als Falschinformation eingestuft und ging stattdessen von einem weiteren Ausbau der Militärpräsenz aus.

In den «zurückliegenden Tagen» habe Russland rund 7000 zusätzliche Soldaten in die Nähe der ukrainischen Grenze gebracht, «und einige davon kamen erst heute an», sagte ein ranghoher Beamter des Weissen Hauses. Erkenntnisse der US-Regierung zeigten inzwischen, dass Russlands Ankündigung eines Teilabzugs «falsch» sei, sagte er.

Die Nato sieht ebenfalls weiter keine glaubwürdigen Hinweise auf einen Rückzug russischer Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine. «Es gibt Signale aus Moskau, dass die Diplomatie fortgesetzt werden könnte, aber bislang haben wir keine Anzeichen für einen Rückzug oder eine Deeskalation gesehen», sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag zu Beginn des zweiten Tages von Beratungen der Verteidigungsminister der Bündnisstaaten in Brüssel. Russland habe zuletzt erneut seine Fähigkeit und Bereitschaft unter Beweis gestellt, Gewalt anzudrohen, um seine Ziele zu erreichen. «Leider fürchte ich, dass dies der neue Normalzustand ist, auf den wir vorbereitet sein müssen», sagte Stoltenberg.

Auch die britische Regierung und Sicherheitsbehörden teilen die Einschätzung der USA. «Es gibt derzeit keine Anhaltspunkte, dass die Russen sich aus Grenzregionen zur Ukraine zurückziehen», schrieb die britische Aussenministerin Liz Truss am Donnerstag in einem Gastbeitrag im «Telegraph» und warnte, die Krise könne sich noch über Wochen oder sogar Monate hinziehen.

Russland bekräftigte hingegen erneut den Teilabzug seiner Truppen. Nach dem Abschluss von Manövern seien Panzer des Wehrbezirks West zum Abtransport bereit gemacht worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Donnerstag mit. Dazu veröffentlichte es ein Foto, dass die Kampffahrzeuge zeigen soll.

Unterdessen gingen mehrere russische Manöver weiter - unter anderem das im Nachbarland Belarus. Im Kaspischen Meer begann laut Verteidigungsministerium eine Marine-Übung mit 20 Schiffen.

Biden und Scholz: Risiko besteht fort

Nach Einschätzung von US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz besteht das Risiko einer Aggression Russlands gegen die Ukraine weiter. Beide seien sich während eines Telefonats einig gewesen, dass die Situation in der Region angesichts des massiven russischen Truppenaufmarsches im Grenzgebiet zur Ukraine als überaus ernst einzuschätzen sei, erklärte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit. Ein signifikanter Rückzug russischer Truppen sei bislang nicht zu beobachten, höchste Wachsamkeit sei erforderlich.

Beide Politiker begrüssten Äusserungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass diplomatische Bemühungen fortgesetzt werden sollten. Es gelte, sie nun mit Hochdruck weiterzuverfolgen. Es komme darauf an, in einen konstruktiven Dialog zu Fragen der europäischen Sicherheit einzusteigen, zur Umsetzung der Minsker Abkommen zu gelangen und mit Unterstützung Deutschlands und Frankreichs im Normandie-Format voranzukommen. Der Schlüssel dafür liege in Moskau.

US-Beamter: Moskau mobilisiert «insgeheim für Krieg»

Russland hatte am Dienstag überraschend mitgeteilt, nach Manövern sei mit dem Abzug von Truppen begonnen worden. Bei einem Treffen mit Scholz in Moskau erklärte Putin zudem, Russland wolle keinen neuen Krieg in Europa.

In Washington sagte der US-Regierungsbeamte in einem Briefing für Journalisten, Russland gebe an, für eine diplomatische Lösung des Konflikts offen zu sein. «Aber alle Hinweise, die wir jetzt haben, sind, dass sie Gespräche nur anbieten und Behauptungen zur Deeskalation machen während sie insgeheim für einen Krieg mobilisieren», sagte der Vertreter. Der Top-Beamte aus Bidens Regierung durfte den Regeln der Unterrichtung zufolge nicht namentlich genannt werden.

Zudem gebe es weiter Informationen, wonach Russland «jederzeit» Ereignisse inszenieren oder erfinden könnte, um eine «Ausrede» für einen Angriff auf die Ukraine zu schaffen, sagte der Beamte weiter. Es könne zum Beispiel eine Provokation in der ostukrainischen Region Donbass geben. Es könne auch vermehrt russische Falschinformationen geben, darunter grundlose Behauptungen, dass die USA und die Ukraine «biologische oder chemische Waffen» einsetzten, sagte der Beamte. Es sei unklar, welchen Grund Russland letztlich vorschieben werde. «Wir hoffen, die Welt ist dafür bereit, sagte der Beamte. «Niemand sollte diese Behauptungen für bare Münze nehmen», betonte er.

Kommentare

Mehr in News

Matt Gaetz
31 Interaktionen

Mehr aus Belgien

EU-Kommission
5 Interaktionen
EU Ursula von der Leyen
24 Interaktionen
5 Interaktionen
EU Ursula von der Leyen
6 Interaktionen