Russlands Luftfahrt in Turbulenzen
Wegen Putins Krieg gegen die Ukraine geht es auch russischen Fluggesellschaften an den Kragen. Unter dem westlichen Sanktionsdruck rechnen Experten in den kommenden Jahren mit einem weitreichenden Ausschlachten der russischen Flotte.
Das Wichtigste in Kürze
- Die westlichen Sanktionen gegen Russland treffen die russische Luftfahrt mit voller Wucht.
- Experten zeichnen für die kommenden Jahre ein düsteres Bild.
Wer in diesen Tagen am Moskauer Flughafen Wnukowo landet, sieht kurz nach Verlassen des Flugzeugs im Terminal mehrere Plakate mit der Aufschrift «Russland: Land der Möglichkeiten».
Ausgerechnet für Russlands Luftfahrt aber hat dieser Satz seit einigen Wochen an Gültigkeit verloren. Die Sanktionen, die westliche Staaten nach dem von Kremlchef Wladimir Putin angeordneten Angriff auf die Ukraine verhängt haben, treffen auch die Fluggesellschaften im grössten Land der Erde mit grosser Wucht. Experten zeichnen für die kommenden Jahre ein düsteres Bild für die eigentlich stolze Luft- und Raumfahrtnation.
Passagiere spüren die Folgen
Kurz nach dem Einmarsch der russischen Truppen ins Nachbarland verhängten die EU-Staaten nach und nach Luftraumsperren für russische Flugzeuge. Moskau verbot im Gegenzug europäischen Maschinen den Flug über russisches Gebiet.
Passagiere spüren die Folgen des verknappten Angebots schon jetzt deutlich: Eine Flugreise von Moskau nach Berlin etwa dauert nicht nur wegen des Umwegs über Drittstaaten viele Stunden länger, sondern kann auch locker dreimal so viel kosten wie vor dem Krieg.
Für die russische Luftfahrtbranche dürfte sich das ganze Ausmass ihrer Krise erst im Laufe der kommenden Jahre zeigen. Zwar hat auch sie auch neben den Luftraumsperren jetzt schon mit erheblichen Einschränkungen zu kämpfen: Weil viele Leasingverträge im Zuge der EU-Sanktionen aufgekündigt werden mussten, fürchten russische Fluggesellschaften im Ausland nun die Beschlagnahmung ihrer Maschinen und haben ihre internationalen Verbindungen deshalb teils komplett eingestellt.
Ersatzteile für im Ausland erworbene Flugzeuge fehlen
Längerfristig zum Problem werden dürfte für Russland aber auch werden, dass Ersatzteile für im Ausland erworbene Flugzeuge fehlen.
Denn die EU hat ein Ausfuhrverbot für Güter und Technologien für die Luft- und Raumfahrtindustrie erlassen. Zudem dürfen Russlands Maschinen in Europa nicht mehr gewartet und versichert werden. Fluggesellschaften wie der Staatskonzern Aeroflot und die zweitgrösste Gesellschaft S7 aber setzten bislang weitgehend auf Maschinen von Airbus und Boeing.
Leasingmarkt dürfte Russen verschlossen bleiben
Unregelmässig oder nicht nach internationalen Standards gewartete Flugzeuge wiederum verlieren schnell ihre Sicherheitszertifikate.
So landeten Aeroflot, S7 und andere Unternehmen bereits Mitte April auf der «Schwarzen Liste» der EU, nachdem Russlands Luftfahrtbehörde ihnen erlaubt hatte, Hunderte Flieger in ausländischem Besitz ohne ein in Brüssel anerkanntes Lufttüchtigkeitszeugnis weiter zu betreiben. Solche Brandmarkungen können selbst in eigentlich mit Russland befreundeten Staaten zu Landeverboten führen und den Spielraum der Unternehmen weiter einschränken.
Selbst nach einem etwaigen Friedensschluss dürfte die Rückkehr russischer Gesellschaften auf den Weltmarkt sehr schleppend verlaufen, erwartet Wissel. Der Leasingmarkt dürfte den Russen schon wegen der milliardenschweren Altforderungen auf lange Sicht verschlossen bleiben.