Schulze: Pestizid-Verbreitung besorgniserregend

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Deutschland,

Wenn Bauern Felder spritzen, können Spuren der Pflanzenschutzmittel auch noch über weite Entfernungen gefunden werden. Das zeigt eine neue Analyse. Nicht nur die Ökobranche hat erhebliche Bedenken.

Ein Landwirt spritzt sein Kartoffelfeld mit einem Fungizid gegen Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans). Foto: Thomas Warnack/dpa
Ein Landwirt spritzt sein Kartoffelfeld mit einem Fungizid gegen Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans). Foto: Thomas Warnack/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Verbreitung von Pestiziden durch die Luft weit über die Äcker hinaus muss aus Sicht von Bundesumweltministerin Svenja Schulze dringend eingedämmt werden.

«Wir wissen überhaupt noch nicht, wie dieser Cocktail aus verschiedenen Pflanzenschutzmitteln am Ende wirkt», sagte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin zur Vorstellung einer von Bio- und Umweltorganisationen erstellten Studie. Dies sei besorgniserregend für den Ökolandbau und die Natur. Um gegenzusteuern, solle unter anderem bei der Zulassung von Stoffen und einem deutlich reduzierten Pestizid-Einsatz angesetzt werden.

Laut der Studie verbreiten sich viele giftige Pestizide bis in Städte und Nationalparks hinein, wie das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und das Umweltinstitut München als Auftraggeber mitteilten. Selbst auf der Spitze des Brockens im Harz seien zwölf Pestizide nachweisbar gewesen. Insgesamt seien 138 Stoffe mit Bezug zur Landwirtschaft gefunden worden, darunter das umstrittene Unkrautgift Glyphosat. Ausgewertet wurden demnach Daten zu insgesamt 163 Orten im Umkreis von weniger als 100 Metern bis zu mehr als 1000 Metern Entfernung zu möglichen Quellen.

Für die Analyse wurden den Angaben zufolge von März bis November 2019 an 116 Orten Pestizide in der Luft ermittelt - mit Sammelgeräten, über Filtermatten in Be- und Entlüftungsanlagen von Gebäuden und über Funde in Bienenstöcken. In die Ergebnisse sei zudem eine Analyse an Baumrinden von 2014 bis 2018 zu 47 Standorten eingegangen.

Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, das unter anderem Bio-Anbieter vertritt, kritisierte, immer wieder würden biologisch bewirtschaftete Flächen durch Ackergifte kontaminiert. Produkte seien dann nicht mehr als «bio» zu verkaufen. Nötig sei ein Fonds, der Ökolandwirten Schäden ausgleiche und durch die Pestizidhersteller gespeist werden solle. Der Verein Umweltinstitut München forderte ein umgehendes Verbot bestimmter Pestizide.

Das Umweltbundesamt (UBA) erklärte, die Studie liefere wertvolle und deutschlandweite Daten zur Verbreitung über die Luft - die bisherige Datenlage sei sehr dürftig. Für Abstände bis zu 20 Meter werde in der Zulassung untersucht, ob Mittel Umweltrisiken hätten. Weiter entfernt gefundene Konzentrationen hätten zumindest unmittelbar keine Gefahr für Tiere und Pflanzen, da sie überwiegend deutlich unter dem lägen, was im Nahbereich zugelassen würde. «Eine gewisse Sorge bereitet uns der Ferntransport dennoch», sagte UBA-Präsident Dirk Messner. Es sei durchaus denkbar, dass sich Wirkstoffe an anderen Orten kombinieren und gewissermassen als Cocktail auf Tiere und Pflanzen wirkten.

Der Industrieverband Agrar, der Pestizidhersteller vertritt, nannte die Studie «alarmistisch und wissenschaftlich nicht valide». Es lasse sich heute jeder beliebige Stoff im Spurenbereich nachweisen. Die Mengen seien jedoch minimal, so dass sie für Mensch und Umwelt unbedenklich seien.

Der Grünen-Agrarpolitiker Harald Ebner sagte, letztlich könne nur eine wesentliche Reduktion der Pestizideinsatzmengen Mensch, Umwelt, Ökolandbau und Imkerei sicher schützen. Das Verbreiten über die Luft werde unzureichend untersucht, obwohl es auch bei Wirkstoffen wie Glyphosat Hinweise auf Einträge über Bodenstaub und Wind gebe. FDP-Fraktionsvize Frak Sitta kritisierte, indem Schulze sich der «überdrehten Angstmacherei dieser Studie» bediene, ersticke sie jede sachliche Diskussion um die moderne Landwirtschaft schon im Keim.

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