Tausende Hinweise auf mögliche Kriegsverbrecher unter Flüchtlingen nicht verfolgt
In der Flüchtlingskrise sind möglicherweise tausende Hinweise auf mögliche Kriegsverbrecher unter Asylsuchenden nicht weiter verfolgt worden.
Das Wichtigste in Kürze
- Seehofer ordnet Untersuchung an.
Von 2014 bis Anfang 2019 leitete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) rund 5000 Hinweise auf «Straftaten nach dem Völkerrecht» an das Bundeskriminalamt und den Generalbundesanwalt weiter, wie aus einer am Donnerstag bekannt gewordenen Regierungsantwort hervorgeht. Nur in 129 Fällen wurden demnach Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Allein in den Jahren 2015 und 2016 - dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise - gab es demnach rund 3800 Hinweise, davon 3600 an das Bamf. Es wurden in der Zeit nur 28 Ermittlungsverfahren eingeleitet, wie aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine FDP-Anfrage sowie Zahlen aus einer früheren Anfrage hervorgeht. Über das Thema hatte zuerst die «Bild»-Zeitung berichtet.
Die FDP-Innenexpertin Linda Teuteberg erklärte: «Kriegsverbrecher dürfen in Deutschland keinen Schutz bekommen. Das sind wir auch den Opfern schuldig.» Darum sei es wichtig, dass Hinweisen angemessen nachgegangen werde. «Die Zahlen werfen allerdings die Frage auf, ob die Bundesregierung das in den letzten Jahren immer mit der gebotenen Ernsthaftigkeit verfolgt hat.»
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ordnete eine Untersuchung dazu an. Er habe «einen sehr genauen Bericht» angefordert, sagte er am Donnerstag in Brüssel. Er könne aber bereits sagen, dass diese Informationen «nicht einfach von den Sicherheitsbehörden abgelegt», «sondern natürlich geprüft» worden seien. Falls es Versäumnisse gegeben habe, würden diese Fälle auch aufgearbeitet.
Er wolle erst einen schriftlichen Bericht zu der Frage abwarten, sagte Seehofer beim Treffen der EU-Innenminister. Danach werde er die Öffentlichkeit informieren, «was mit diesen Meldungen konkret geschehen ist».
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte auf Anfrage, die Hinweise seien nicht ignoriert worden, sie wurden «selbstverständlich gesichtet und kategorisiert». Sie würden auch in Zukunft für die laufenden Ermittlungen herangezogen. «Verbrechen des Völkerstrafgesetzbuchs unterliegen keinen Verjährungsfristen», betonte der Sprecher. Die Bewertung einer Meldung des Bamf als «Hinweis» bedeute nicht, dass dieser unmittelbar für ein Strafverfahren verwendbare Informationen enthalte.
«Oft handelt es sich bei diesen Hinweisen um allgemeine Informationen über das Kriegsgeschehen in Krisenregionen oder aber zu tatverdächtigen Personen, die nicht identifizierbar sind», sagte der Ministeriumssprecher. In den Jahren 2015 und 2016 sei es zu einer Vielzahl von «Hinweisen» gekommen. Sofern hinreichende Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorlagen, seien durch den Generalbundesanwalt Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.