SNCF: Täter haben «mehrere hundert Kabel» durchtrennt
Das französische Schnellzugnetz des staatlichen Bahnunternehmens SNCF wird am Freitagmorgen Ziel eines «massiven Angriffs». An den Bahnhöfen herrscht das Chaos.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Freitag werden in Paris die Olympischen Sommerspiele eröffnet.
- In der Nacht kam es zu Brandanschlägen auf das französische Schnellzugnetz.
- Mehrere hundert Kabel an wichtigen Stellen des Netzes wurden durchtrennt.
Am Donnerstagabend und in der Nacht auf Freitag kam es zu einem «massiven Angriff» auf Anlagen des französischen Schnellzugnetzes. Im Norden des Landes wurden Brandanschlägen verübt. Dies schrieb das staatliche Bahnunternehmen SNCF am Freitagmorgen in einer Mitteilung.
An strategischen Punkten sollen jeweils Leitungen mit zahlreichen Glasfaserkabeln in Brand gesetzt worden sein, die für die Sicherheit der Züge und die Weichenstellungen wichtig sind. So etwa an der Abzweigung zwischen Atlantikküste und Bretagne. Dies sagte ein SNCF-Mitarbeiter «Le Parisien».
Die Kabel seien durchtrennt und dann verbrannt worden, so der Mitarbeiter weiter. Der CEO von SNCF Réseau spricht gegenüber «franceinfo» von «mehreren hundert Signalkabeln», die zerstört worden seien. SNCF Réseau betreibt die Infrastruktur der französischen Staatsbahn.
Der Zeitung «Le Parisien» zufolge fanden die Anschläge in Verginy, Courtalain, Croisilles und Pagny-sur-Moselle statt.
Familie zahlt über Tausend Franken für Taxi
Durch die unzähligen Zugausfälle müssen Reisende auf alternative Transportmittel ausweichen. Eine nigerianische Familie zahlte schlappe 1200 Euro (etwa 1150 Franken), um mit dem Taxi von Bordeaux nach Paris zu gelangen.
Der Familienvater sagte zu «BBC»: «Unser Zug fiel aus, alle Züge nach Paris waren ausgefallen und das Personal wusste nicht, wann die Linie wieder in Betrieb genommen werden würde.» Da sie unbedingt die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele sehen wollen, nahmen sie das teure Taxi.
800'000 Reisende betroffen
Wegen der Brandanschläge fallen vor allem viele wichtige TGV-Linien aus. Laut SNCF sind mehr als 800'000 Reisende betroffen. An vielen Bahnhöfen herrscht das Chaos. In zwei der betroffenen Züge befanden sich laut einem Sprecher der französischen Bahn Olympia-Athleten.
Bilder und Videos auf den sozialen Medien zeigen überfüllte Bahnhöfe, voller gestrandeter Passagiere. Die Anschläge treffen Frankreich ausgerechnet am Tag, an dem in Paris die olympischen Sommerspiele eröffnet werden.
🔴🇫🇷 800 000 personnes sont concernées par les perturbations suite aux sabotages sur le réseau #SNCF. L’incident pourrait durer tout le week-end - SNCF Voyageurs
— Sirènes (@SirenesFR) July 26, 2024
pic.twitter.com/xhksL04jOI
Betroffen von den Störungen seien gemäss den Angaben von SNCF die Atlantik-, Nord- und Ostachse. Auf den TGV-, Intercités- und Ouigo-Linien rechnet SNCF mit Verspätungen von über einer Stunde. Erst am Montag soll der Bahnverkehr voraussichtlich wieder normal laufen.
Richtung Bordeaux fiel etwa jede vierte Verbindung aus. Die Bahn rief dazu auf, für den Freitag geplante Reisen nicht anzutreten. Man habe mit den Reparaturen begonnen. Die Einschränkungen könnten aber das ganze Wochenende dauern.
Nach ersten Informationen sind mehrere Anlagen ausserhalb von Paris betroffen, die Auswirkungen auf die stark befahrenen TGV-Strecken haben. Ein weiterer mutmasslicher Sabotageakt auf der Strecke nach Marseille wurde verhindert.
Auf den Schienenverkehr in der Schweiz hatten die Zugausfälle im Nachbarland am Freitagmorgen keine Auswirkungen, wie die SBB auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilten. Ob die SBB im Hinblick auf die olympischen Spiele in Paris besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen haben, gaben sie nicht bekannt.
Dass die Brandanschläge im Zusammenhang mit der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele stehen, ist aktuell nicht bekannt. Dies berichtet die französische Tageszeitung «Le Monde».
Französische Minister verurteilen «koordinierte Sabotage» an SNCF
Mehrere Minister haben die Brandanschläge auf das französische Bahnnetz am Freitag scharf verurteilt. Die geschäftsführende Sportministerin Amélie Oudéa-Castera sprach «mit Vorsicht und nach ersten Analysen» von einer Art koordinierter Sabotage.
«Das wird diesen Tag und wahrscheinlich auch dieses Wochenende stören», sagte Oudéa-Castera dem Sender BFMTV. Der französische Verkehrsminister Patrice Vergriete sagte, dass durch die «koordinierten böswilligen Aktionen» der Verkehr erheblich beeinträchtigt sei. Auch er verurteilte die Aktionen aufs Schärfste.
Geheimdienste und Sicherheitskräfte seien mobilisiert, «um die Täter dieser kriminellen Taten zu finden und zu bestrafen», erklärte Premierminister Gabriel Attal.
Anschläge waren wohl geplant – Staatsanwaltschaft ermittelt
Der Chef der französischen Staatsbahn SNCF, Jean-Pierre Farandou, spricht bei den Brandanschlägen kurz vor der Eröffnung der Olympischen Spiele von einer womöglich geplanten Tat. «Wir können annehmen, dass die Anschläge geplant und kalkuliert waren», sagte Farandou. Die Brandorte lägen bei Gabelungen.
Nach den Sabotageakten hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Schädigung von Staatsinteressen aufgenommen. Es bestehe zudem der Verdacht auf Sachbeschädigung mit gefährlichen Mitteln in einer organisierten Bande sowie Angriffe auf Datenverarbeitungssysteme, teilte die Staatsanwaltschaft am Freitag in Paris mit.
Im Fall einer Verurteilung drohen den Tätern bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe und 225'000 Euro Geldstrafe. Für die Ermittlungen ist die Abteilung zur Bekämpfung organisierten Verbrechens zuständig.
Bis zum frühen Freitagnachmittag gab es keine Hinweise auf mögliche Täter.