So klappt es besser mit dem Familienchat
Das Wichtigste in Kürze
- Mama schreibt...
Mama schreibt... Mama schreibt... Eine gefühlte Ewigkeit später: Pling! Auf dem Bildschirm erscheint ein gelbes, zwinkerndes Gesicht. Oder ein Daumen hoch. Oder eine Hummel.
Sogenannte Messenger-Dienste wie WhatsApp und Threema ermöglichen eine Familienzusammenführung der anderen Art. In Gruppen treffen hier Generationen aufeinander - mit ihrer ganz eigenen Kommunikation und teils kuriosen Folgen.
Für manche sind diese Familienchats die Möglichkeit, regelmässiger von Angehörigen zu hören und zu lesen, die man sonst nur auf Grossmutters 80. trifft. Andere nervt das ständige Nachrichtenrauschen, das Gruppenchats so mit sich bringen. Und wieder andere amüsieren sich köstlich. Das Internet ist voll von Anekdoten und schiefgegangenen Konversationen - mal als Ich-Erzählung, mal dokumentiert über Screenshots.
Unterschiedliche Geschwindigkeiten
Herausforderung Nummer eins: das Tempo. Eine Generation, die quasi mit dem Smartphone aufgewachsen ist, reagiert und tippt meist deutlich schneller als ein angehender Silver Surfer, der sein erstes Handy mit Mitte 50 bekommen hat. Dann spielt die automatische Rechtschreibkorrektur immer wieder Streiche. Ebenfalls weit auseinander driften manchmal die Interpretationen von Emojis - jener kleinen Zeichen, die die Stimmungslage ausdrücken sollen und die längst um Obst, Gemüse, Sportarten und Einhörner ergänzt sind.
Selten sind auch sämtliche Familien- und Chatgruppen-Mitglieder Fans von Kettenbriefen, (vermeintlich) lustigen Weihnachtsvideos, minutenlangen Sprachnachrichten und detailreichen, oft zusätzlich noch fotografierten Infos über das erste Abendessen im Urlaub. Apropos: Manche Gruppen dienen einzig der reichweitenstarken Verbreitung von Impressionen der ersten Ferien mit den Kindern. Wenn dann jeder Opa, jede Grosstante, jeder Patenonkel Entzücken kundtut, bekommt das leicht Spam-Charakter. Ja, man kann Benachrichtigungen über neue Beiträge ausstellen und als Ultima Ratio sogar aus Gruppen austreten. Aber nein, nicht jeder muss seinen Senf zu allem geben.
Chancen und Risiken
Medienpsychologe Tobias Dienlin von der Universität Hohenheim in Stuttgart sieht bei dem Thema viel Positives: «Wenn man soziale Medien nutzt, um aktiv zu kommunizieren, führt das dazu, dass man auch auf anderen Kanälen häufiger kommuniziert.» Gespräche würden fortgeführt, reale Treffen wahrscheinlicher. Gerade ältere Menschen bekämen so die Chance, Kontakte zu pflegen, was sonst für sie vielleicht aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich wäre.
Aber er weist auch auf Risiken hin: «Kommunikation ist nicht gleich Kommunikation.» Ein Bild aus dem Urlaub zu schicken, gehe zwar schneller - reiche aber im Zweifel nicht aus. «Nachgewiesen ist, dass es uns gut tut, im gleichen Raum zu sein, sich zu berühren», so Dienlin. «Da reagiert der Körper ganz anders drauf, als wenn man das nur digital macht.» Wichtig sei ein «Cocktail» von Kommunikationswegen. «Das darf man nicht alternativ sehen.» Zudem steige die Gefahr von Missverständnissen: «Nicht alles lässt sich gut über Messenger kommunizieren, weil nicht alles mitgesendet wird.»
Knigge für den Chat
WhatsApp und Threema haben auf ihren Seiten technische Informationen zu Chatgruppen. Eine Art Knigge dafür wiederum bietet beispielsweise Vodafone, darunter die Regeln 2 und 3: Fasse dich kurz und achte auf die Lesbarkeit. Weiter heisst es da: «Noch ein Tipp: Das Schreiben in GROSSBUCHSTABEN wird immer noch als Schreien interpretiert und die Verwendung mehrerer Satzzeichen hintereinander wie «???????» deutet schnell auf eine gewisse Genervtheit deinerseits hin.»
Inzwischen wird der Familienchat sogar verballhornt, immer wieder kursieren Bilder von gestellten Chatverläufen im Netz: Statt Mama, Papa und Bruder unterhalten sich dann zum Beispiel (angeblich) Angela Merkel, Wladimir Putin und Donald Trump über Weltpolitik im Stil einer familiären Konversation. Samt Gruppenbei- und -austritten.
Dass mit Familienchats nicht immer zu spassen ist, machte Anfang des Jahres ein Fall am Oberlandesgericht Frankfurt am Main deutlich: Ein Mann hatte schon in zweiter Instanz gegen seine Schwiegermutter geklagt, dass diese nicht länger in einer WhatsApp-Gruppe vor anderen Familienmitgliedern behaupten dürfe, er habe seinen Sohn misshandelt. Doch er bekam kein Recht. Das Gericht argumentierte: «Innerhalb des engsten Familienkreises besteht ein ehrschutzfreier Raum, der es ermöglicht, sich frei auszusprechen, ohne gerichtliche Verfolgung befürchten zu müssen.» Auf gut Deutsch: In Familienchats dürfen bei Auseinandersetzungen die Fetzen fliegen.