Sorge vor der Corona-Welle in China: Muss Europa reagieren?

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Deutschland,

In China explodieren die Corona-Zahlen. Die Debatte über Einreisebeschränkungen folgt in Europa auf dem Fusse. Doch manche Experten sind skeptisch, ob solche Schritte überhaupt notwendig sind.

Ein Corona-Patient in der Notaufnahme eines Pekinger Krankenhauses. China erlebt gerade eine riesige Corona-Welle, der besonders Menschen im hohen Alter oder mit Vorerkrankungen zum Opfer fallen.
Ein Corona-Patient in der Notaufnahme eines Pekinger Krankenhauses. China erlebt gerade eine riesige Corona-Welle, der besonders Menschen im hohen Alter oder mit Vorerkrankungen zum Opfer fallen. - Ng Han Guan/AP/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Durch China rauscht eine gewaltige Corona-Welle.

Über den Umgang damit herrscht in Deutschland und Europa eher Verwirrung als Klarheit. Die einen fordern verpflichtende Tests für Reisende aus China, andere halten das für übertrieben. Auch die Frage, ob China zu einer Brutstätte für gefährlichere Virusvarianten werden könnte, steht im Raum. Die EU-Staaten verständigten sich am Mittwochabend auf eine einheitliche Reaktion.

Wichtige Aspekte der aktuellen Situation:

Wie ist die Lage in China?

In der massiven Infektionswelle nach dem abrupten Ende der strikten Null-Covid-Politik vor knapp einem Monat haben sich bereits mehrere Hundert Millionen Chinesen infiziert. Ein genaues Bild der Lage in dem bevölkerungsreichsten Land der Erde gibt es nicht, weil die Behörden keine Zahlen mehr veröffentlichen. Die Krankenhäuser sind überfüllt, Fieber- und Erkältungsmedikamente häufig ausverkauft.

Ist mit vielen Reisenden aus China zu rechnen?

Nach fast drei Jahren völliger Abschottung öffnet sich das Land wieder zum Ausland, der lange radikal reduzierte Flugverkehr dürfte zunehmend wieder aufgenommen werden. Hatte es vor der Pandemie laut Experten rund 2500 bis 3000 internationale Flüge am Tag gegeben, war die Zahl zeitweise auf 100 bis 150 gefallen.

Könnte die chinesische Welle nach Europa überschwappen?

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC erwartet derzeit nicht, dass der Anstieg der Fallzahlen in China die epidemiologische Situation in der EU beeinflusst. Die in China zirkulierenden Varianten gebe es auch hier, deshalb stellten sie keine besondere Herausforderung für das Immunsystem der Bürger dar. Ausserdem hätten EU-Bürger im Schnitt eine vergleichsweise gute Immunität durch Ansteckungen und Impfungen. Der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb schätzt die Lage ähnlich ein.

Worauf wurde sich nun auf europäischer Ebene verständigt?

Auf eine Testpflicht für Reisende aus China konnten sich die 27 EU-Staaten am Mittwoch nicht einigen. Stattdessen wird nun nachdrücklich empfohlen, vor der Abreise in China einen negativen Corona-Test vorzuschreiben, der nicht älter als 48 Stunden sein soll. Einig sei man sich unter anderem darin, das Tragen einer medizinischen oder einer FFP2-Maske an Bord der Flugzeuge zu empfehlen, teilte die schwedische EU-Ratspräsidentschaft am Mittwochabend mit.

Die Entscheidung ist für die einzelnen EU-Staaten nicht bindend, gilt jedoch als wichtige Leitschnur. Mitte des Monats sollen die Massnahmen überprüft werden. Mehrere EU-Staaten waren bereits mit Regeln für Einreisende aus China vorgeprescht.

Sind sich Experten beim Thema Pflicht-Tests einig?

Nein. Der Epidemiologe Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig ist gegen Einreisekontrollen. Solche Massnahmen zur Eindämmung seien «für eine kurze anfängliche Phase einer Epidemie oder Pandemie sinnvoll, aber nicht mehr jetzt». Er hofft, dass «Behörden und Regierungen sich nicht in einen Massnahmenwettbewerb hineinziehen lassen».

Hajo Zeeb geht davon aus, dass das Testen von Reisenden wenig Einfluss auf die Ausbreitung des Virus haben würde. Ähnlich sieht das der Epidemiologe Klaus Stöhr. Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sind hingegen für eine europaweite Testpflicht. Dabei gibt es unterschiedliche Auffassungen, ob es direkt PCR-Tests sein müssen oder zunächst Schnelltests reichen.

Wie zuverlässig wären Schnelltests bei Einreisenden?

Schnelltests weisen Proteine des Coronavirus nach. Sie schlagen erst bei einer relativ hohen Viruslast an – im Gegensatz zur PCR. Die Empfindlichkeit der Tests auf dem Markt ist zudem sehr unterschiedlich. Eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München ergab Anfang 2022, dass die Trefferquote einiger gängiger Schnelltests für die Omikron-Variante bei sehr hoher Viruslast zwischen 31 und 78 Prozent lag.

Der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dirk Heinrich, sieht neben der unterschiedlichen Empfindlichkeit der Tests ein Problem bei der Qualität des Abstrichs: «Es kommt sehr darauf an, wie gut dieser gemacht wurde – ob man sozusagen gemein genug war. Mit ein bisschen Streicheln in der Nase ist es nicht getan.»

Welche Massnahmen wurden in EU-Staaten bereits eingeführt?

In Frankreich sind künftig PCR-Tests nach der Ankunft aus China vorgeschrieben. Italien verlangt einen Schnelltest sowohl vor Abreise als auch nach Ankunft. Bei einem positiven Ergebnis ist ein PCR-Test Pflicht, zudem soll es Sequenzierungen positiver Proben geben, um neue Varianten erkennen zu können.

Deutschland verlangt bislang keinen negativen Test von Reisenden aus China. Österreich wollte am Mittwoch damit beginnen, das Abwasser aus den Flugzeugtoiletten von Maschinen aus China zu analysieren. Sollten bei der Sequenzierung Varianten auffallen, würden diese an die EU und an die WHO gemeldet.

Welche Varianten kursieren derzeit in China?

Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel, kommt in einem aktuellen Bericht zu Varianten zu dem Schluss, dass in China mit BF.7 und BA.5.2 zwei Varianten dominieren, die auch in Deutschland bereits vorkommen. Die anderen nachgewiesenen Varianten ähnelten solchen, die im Rest der Welt zirkulieren. Bislang seien keine stark abweichenden Mutationen bekannt.

Wie gross ist die Gefahr einer neuen, gefährlichen Variante aus China?

Die Situation in China – viele Infektionen in kurzer Zeit in einer Bevölkerung ohne viel Kontakt zu Omikron – sei für die Entwicklung einer Immunflucht-Variante «eher ungünstig», erklärt Neher. Zur Krankheitsschwere könne man keinen generellen Trend ausmachen.

Auch die Virologin Isabella Eckerle hält es für nicht besonders wahrscheinlich, dass sich in China eine Variante entwickelt, die einem an das Virus angepassten Immunsystem entkommt. «Natürlich ist es möglich, dass eine neue, besorgniserregendere Variante entsteht, aber die könnte auch aus einem anderen Teil der Welt kommen, aus dem wir wenig Sequenzen erhalten.»

Was sagen Fachleute zu Tests auf mögliche neue Varianten aus China?

Für Richard Neher kann die Überwachung von Flugzeugabwasser oder anonymen Proben von Reisenden ein Baustein einer Strategie zur Variantenüberwachung sein. Er macht aber auch klar: «Das Aufhalten einer Variante hat noch nie funktioniert.»

Auch Klaus Stöhr hält ein Varianten-Monitoring für «wissenschaftlich sicherlich interessant». Allerdings müsste beim Auftauchen unbekannter Varianten erst einmal untersucht werden, welche veränderten Eigenschaften diese tatsächlich haben. Zeeb plädiert für internationalen Druck, dass China bessere Informationen zu dort zirkulierenden Varianten zur Verfügung stellt.

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