Spiegel Reporter Relotius schrieb für Weltwoche und NZZ am Sonntag
Der Spiegel-Redaktor Claas Relotius fälschte Geschichten und erfand Protagonisten. Der Journalist schrieb auch Texte für Schweizer Medien.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Spiegel-Redaktor Claas Relotius hat in grossem Umfang Geschichten gefälscht.
- Der Journalist wurde für seine Texte mehrfach international ausgezeichnet.
- Auch in Schweizer Medien wurden Texte von Relotius veröffentlicht.
In den Vereinigten Staaten, sechs Männern in Uniform. «Sie tragen Munitionsgürtel, automatisches Gewehr, schusssichere Weste und ausgedachte Namen. Einer nennt sich Pain, Schmerz, er raucht Zigarre und sagt, er wolle den Teufeln, die auf Amerika zuliefen, in den Arsch treten, genau wie Donald Trump.»
So schildert Claas Relotius im Text «Jaegers Grenze», der am 17. November im «Spiegel» erschienen ist, die Männer einer US-Bürgerwehr, die in Arizona die Grenze zu den USA beschützen wollen. Doch nun wird klar: die Namen ausgedacht haben nicht etwa die erwähnten Männer im Text, sondern der Reporter Claas Relotius selber.
Wie heute Mittwoch das Magazin «Spiegel Online» berichtet, habe der Redakteur in «grossem Umfang seine eigenen Geschichten gefälscht und Protagonisten erfunden.» Aufgedeckt worden ist der Fall nach internen Hinweisen und eigenen Recherchen.
Der Journalist habe in mehreren Fällen eingeräumt, Geschichten erfunden oder Fakten verzerrt zu haben, schreibt der «Spiegel».
Mehrfach ausgezeichnet
Mit seinen teils erfundenen Reportagen heimste Relotius mehrere Preise in Deutschland und im Ausland ein. So wurde er 2012 mit dem Schweizer Medienpreis für junge Journalisten ausgezeichnet. 2014 kürte ihn CNN zum «Journalist of the Year». 2017 erhielt er den Liberty Award und den European Press Prize.
Nun wird eine Kommission aus internen und externen Experten Hinweisen auf Fälschungen nachgehen, so «Spiegel». Rund 60 Texte von Relotius waren seit 2011 bei «Spiegel» und «Spiegel Online» erschienen. Seinen eigenen Angaben zufolge sind mindestens 14 Geschichten betroffen und zumindest in Teilen gefälscht.
Relotius schrieb auch für Schweizer Medien
Brisant: bevor Relotius bei «Spiegel» eingestellt wurde, publizierte er als freier Journalist für diverse weitere Medien. Darunter etwa «Cicero», «taz», «Welt», «Zeit Online» und die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung».
In der Schweiz veröffentlichte er Texte in der «Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag», der «Weltwoche» und der Zeitschrift «Reportagen». Inwieweit diese von erfundenen Texten betroffen sind, ist nicht klar.
In einem Tweet erklärt NZZ am Sonntag-Chefredaktor Luzi Bernet, dass sechs Texte des Autors beim Medium publiziert wurden. Man überprüfe nun die Texte.
Der Fall #relotius hat auch uns @NZZaS aufgeschreckt. Zwischen 2012 und 2014 haben wir sechs Texte des Autors publiziert. Wir prüfen derzeit, ob und inwiefern sie Falschinformationen enthalten haben.
— Luzi Bernet (@LuziBernet) December 19, 2018
In der «Weltwoche» erschienen 29 Texte von Relotius – mehrheitlich Interviews. «Reportagen» veröffentlichte sechs seiner Texte.