Technik in der Pflege: Morgengymnastik mit Roboter Pepper

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Deutschland,

Schon so manches Unternehmen hat den Roboter Pepper als Marketing-Gag präsentiert – und dann wieder in die Ecke gestellt. Doch in einer unterfränkischen Pflegeeinrichtung gehört Pepper inzwischen fest zum Team.

Der Pflegeroboter Yanny (l) und JAIme der Firma Beckerrobotics sind in einer unterfränkischen Tagespflegeeinrichtung im Einsatz.
Der Pflegeroboter Yanny (l) und JAIme der Firma Beckerrobotics sind in einer unterfränkischen Tagespflegeeinrichtung im Einsatz. - Heiko Becker/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • «Und jetzt die Arme nach oben und die Sterne vom Himmel holen.» Wie ein Animateur muntert Pepper an einem Frühlingsmorgen in einer unterfränkischen Tagespflegeeinrichtung zu einer Gymnastikrunde auf.

Ein Dutzend pflegebedürftiger Menschen sitzt am Tisch und befolgt konzentriert die Anweisungen. Dabei ist Pepper kein Mensch ist. Er ist ein Roboter.

Anfänglich grosse Skepsis bei Pflegebedürftigen

Die Caritasstation im Erlenbach am Main (Landkreis Miltenberg) setzt Pepper seit drei Jahren in der Tagespflege an. «Am Anfang war die Skepsis gross», sagt Pflegedienstleiterin Nicole Strehl-Abt. Viele hätten «so ein neumodisches Zeug» nicht gewollt. Doch die meisten hätten sich eines Besseren belehren lassen.

Jetzt ist Pepper fast jeden Tag im Einsatz. Muslimische Tagespflegegäste erinnert Pepper ans Gebet. Kommen pflegebedürftige Personen, die kein Deutsch sprechen, wird er als Übersetzer programmiert.

Pepper ist ein sogenannter humanoider Roboter. Das heisst er ist menschenähnlich gestaltet – anders als etwa Staubsaugerroboter: mit Kopf, Händen, Augen und Mund. Mit grossen Kulleraugen schaut er seine Interaktionspartnerinnen und -partner an. Das Kindchenschema soll die Angst vor der Technik nehmen. Auch Grösse und Gewicht erinnern mit 1,20 Meter und etwa 30 Kilogramm an ein Kind.

Pepper kann hören und Mimik erkennen. Wenn jemand mit ihm spricht, wendet er der Person den Kopf zu. Möglich machen das alles Mikrofone, Kameras, Motoren für die Bewegung und etliche Sensoren. Hinter Peppers weisser «Haut» verbirgt sich eine Menge Technik.

Die Leiter und Leiterinnen der Erlenbacher Pflegeeinrichtung waren nach ihren Erfahrungen mit Pepper so begeistert, dass sie weitere Roboter angeschafft haben. Inzwischen wird das Pflegepersonal durch ein richtiges Roboterteam unterstützt.

Tablet mit Bildschirmaugen weckt Emotionen

Jamie beispielsweise ist mehr oder weniger ein rollendes Tablet. Auf dem Bildschirm lassen sich Spiele, Videotelefonate oder Kulleraugen anzeigen. Aber er wirkt anders. «Der ist aber süss», sagt Pflegegast Annett Elbert, als sie Jamie zum ersten Mal sieht.

Neugierig schaut die 44-Jährige den Roboter von allen Seiten an. Besonders die Bildschirmaugen faszinieren Elbert. Ein Farbspiel spielt sie hochkonzentriert mit. «Ein Tablet ist so überhaupt nicht meins», sagt sie. Aber mit ihm mache es Spass; er sei menschlicher. Auch von Pepper ist sie begeistert. «Es tut gut, wenn er nach der Gymnastik lobt.»

Jamie ist kleiner als Pepper, so dass er bei sitzenden Menschen auf Augenhöhe kommunizieren kann. Obwohl Elbert Jamie das erste Mal sieht – sie war lange zur Reha – glaubt sie, dass der Roboter sie in ihrer Therapie weiterbringt. Dass Robotik das Wohlbefinden von pflegebedürftigen Menschen unter Umständen erhöhen kann, belegen inzwischen mehrere Studien.

Teamkollege drei in der Tagespflege Erlenbach ist Yanney, ein sogenannter Begleitroboter. Er ist nur gut 20 Zentimeter gross und kann daher überall mitgenommen werden. Yanney fragt, wie man geschlafen hat, erinnert an Trinken und Zähneputzen und lässt sich mit Smarthome-Anwendungen kombinieren. Die Stimme lässt sich so anpassen, dass sie dem Stil von Angehörigen oder Prominenten ähnelt.

Roboter kommen nicht ohne Menschen aus

Personal ersetzt die Technik noch nicht. Die Roboter brauchen in der Regel noch einen Menschen an ihrer Seite. Beispielsweise könnte Pepper die Zeitung vorlesen. «Aber auswählen, welche Artikel für unsere Gäste relevant sind, das wird schwierig», sagt Pflegedienstleiterin Strehl-Abt.

Auch bei der Gymnastik arbeiten Pepper und eine Pflegekraft im Team. Denn Pepper kann keine Beinbewegungen vormachen. Als eine Teilnehmerin einen Witz macht und alle lachen, merkt Pepper das nicht. Er zieht sein Programm einfach weiter durch. Auch Yannie und Jamie sind längst nicht fehlerfrei. Yannie beginnt plötzlich unaufgefordert zu tanzen und Musik abzuspielen. Yamie braucht immer wieder Bedienungshilfe.

Doch die Tagespflege in Erlenbach setzt weiterhin auf die Roboter. «Pepper ist für viele ein grosser Anreiz mitzumachen und daher an vielen Tagen ein Hauptbestandteil in der Betreuung», sagt Strehl-Abt. Das Pflegepersonal sei wichtig, damit die Gäste die Roboter annehmen. «Es hängt viel davon ab, wie wir die Möglichkeiten der Roboter rüberbringen», meint die Pflegedienstleiterin.

Pepper wird manchmal «Pflegeroboter» genannt. Aber körperliche Pflege ist nicht seine Aufgabe. Dafür würde ihm unter anderem die Kraft fehlen. Kollege Jamie kann hingegen leichte Pflegeaufgaben übernehmen. Er misst mit seinen Kameraaugen Fieber, Blutdruck und Sauerstoffgehalt. Auch kann er Einträge in die Patientenakte machen.

Technik soll Pflegebedürftige künftig selbstständiger machen

Daran wie die Zukunft von Robotern in der Pflege aussehen könnte, wird vielerorts geforscht. «Die nächste Klasse werden komplexe Serviceroboter sein, die Dinge greifen und anreichen können», sagt der Patrick Jahn, Professor für Versorgungsforschung an der Universität Halle. Er glaubt, dass Roboter Pflegebedürftigen helfen können, selbstständiger zu sein. Viele Ideen seien aber noch im Prototypenstadium.

Pepper und seine «Geschwister» waren seit ihrer Markteinführung längst nicht nur in der Pflege im Einsatz. Sie haben Bankkunden begrüsst, Hotelgäste empfangen und Fragen von Passagieren am Flughafen München beantwortet. An der Uni Würzburg unterstützt Pepper Studierende bei der Klausurvorbereitung. Laut Uni mit Erfolg: Wer die Tutorien mit Pepper besuche, schreibe im Schnitt bessere Noten.

Vielerorts sei Pepper aber eher Marketing gewesen, sagt Forscher Jahn. Nach kurzen Versuchen sei der Einsatz wieder zurückgefahren oder ganz eingestellt worden – auch in der Pflege. Unter anderem weil das Spielangebot begrenzt sei. «Dass Roboter in der Pflege im Routineeinsatz sind, ist noch die Ausnahme», sagt Jahn. Das Entlastungspotenzial sei zudem gering.

Dass Pepper in Erlenbach inzwischen fest zum Team gehört, liegt auch daran, dass die Pflegenden immer wieder Wünsche für neue Funktionen formulieren. Etwa Gymnastikübungen zur Sturzprävention, ein Memoryspiel oder Übersetzungen für türkische Gäste. Vertriebspartner Rainer Becker, der mit seinem Team im Wuppertal Roboter für die Pflege programmiert, schaut dann, was sich machen lässt.

Auch der nächste Roboter-Kollege ist schon geplant. Dieses Mal allerdings mit ganz anderem Einsatzgebiet: ein Reinigungsroboter.

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