Niederlage für Tina Turner im Streit um Doppelgängerin
Wo Tina Turner draufsteht, muss nicht Tina Turner drinstecken. Das hat der BGH im Streit um eine Doppelgängerin entschieden - mehr als 35 Jahre nach Turners Hit «What you get is what you see».
Das Wichtigste in Kürze
- Dorothea «Coco» Fletcher sieht Tina Turner ähnlich und kann auch noch singen.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten performt sie nach eigenen Angaben den Superstar. Sie liebe das Tempo beim Hit «Nutbush City Limits», sagte Fletcher der Deutschen Presse-Agentur.
Und sie möge den Schmusesong «Private Dancer», «weil er das genaue Gegenteil ist». Ideale Voraussetzungen für eine sogenannte Tribute-Show, dachte sich wohl ein bayerischer Veranstalter. Doch er hatte die Rechnung ohne die Rocklegende gemacht: Sie klagte auf Unterlassung, weil die Doppelgängerin ihr zu ähnlich sehe und Werbeplakate für «Simply The Best - Die Tina Turner Story» den Eindruck erweckten, der Superstar selbst stehe auf der Bühne oder unterstütze die Show. Der Rechtsstreit durch die Instanzen endete nun vor dem Bundesgerichtshof (BGH) - mit einer Niederlage für den 82 Jahre alten Weltstar.
In diesem Fall überwiege die Kunstfreiheit das Persönlichkeitsrecht, entschieden die obersten Zivilrichterinnen und -richter am Donnerstag in Karlsruhe (Az. I ZR 2/21). Die umstrittenen Plakate erweckten nicht den Eindruck, das prominente Original unterstütze die Show oder wirke gar mit, erläuterte der Vorsitzende Richter Thomas Koch.
Richtungsweisendes Urteil
Oliver Forster, Geschäftsführer der auf Unterlassung beklagten Firma Cofo Entertainment aus Passau, sagte der Deutschen Presse-Agentur, er sei «überfroh, dass wir jetzt nach über zwei Jahren diesen Rechtsstreit endlich beilegen konnten». Das Urteil betreffe zwar den Einzelfall, sei aber für die gesamte Branche der Tribute-Shows, Musical-Biografien und die vielen Doppelgänger «richtungsweisend».
Turners Anwälte teilten mit, ihre Mandantin sei indes der Auffassung, dass ein falscher Eindruck erweckt werde, weil auf den Plakaten ein Hinweis fehle, dass es sich nur um eine Tribute-Show handele. «Das Publikum wird so in die Irre geführt, weil es annimmt, dass es sich um eine Veranstaltung von oder mit Tina Turner handelt. Wir werden unserer Mandantin daher raten, das Urteil des Bundesgerichtshofs durch eine Verfassungsbeschwerde überprüfen zu lassen.»
In der Urteilsbegründung machte Koch deutlich, dass der Veranstalter in Turners Recht am eigenen Bild eingegriffen habe. Für einen nicht unerheblichen Teil des Publikums könne der täuschend echte Eindruck entstehen, es handele sich um die Dargestellte selbst. Doch sei nicht Turner auf den Plakaten zu sehen, sondern Fletcher. Es würden keine falschen Tatsachen behauptet, die andere Interpretationen nahelegten.
Genau hier zieht der BGH eine Grenze. Die Entscheidung ist laut Michael Fricke, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland, kein Freibrief für jegliche Nutzung von Namen und Abbildungen von Prominenten zu Werbezwecken. «Für die klassische Produktwerbung gilt weiterhin, dass niemand sich gefallen lassen muss, dass seine Person ungefragt zu kommerziellen Zwecken vermarktet wird», teilte er mit.
Im Fall Turner hatte das Kölner Landgericht ihr Anfang 2020 Recht gegeben. Das Oberlandesgericht Köln kassierte das Urteil allerdings noch im selben Jahr. Es gewichtete in seiner Entscheidung ebenfalls die Kunstfreiheit höher als das Recht am eigenen Bild und Namen.
Veranstalter Forster: Turner nicht Impulsgeber
Veranstalter Forster geht davon aus, dass der Impuls aber nicht von Turner kam. Denn 2019 feierte «Tina - Das Tina Turner Musical» in Hamburg Deutschland-Premiere. Es wurde von Stage Entertainment und - im Unterschied zur «Tina-Turner-Story» - in enger Zusammenarbeit mit der Musiklegende selbst entwickelt. «Hier geht's natürlich darum, einfach einem unangenehmen Mitbewerber wie wir am Markt das Leben schwer zu machen oder im besten Fall es dadurch zu schaffen, dass unsere Show nicht mehr gespielt werden kann», sagte Forster.
Forster und Fletcher machen das auch daran fest, dass die «Queen of Rock'n'Roll» nie selbst Kontakt zu ihnen aufgenommen habe. Alles sei über Anwälte gelaufen. Flechter erzählte, sie sei einmal mit Turner im selben Raum gewesen: im Opernhaus Zürich. Die Wahl-Schweizerin Turner sass im Publikum, Flechter stand auf der Bühne - aber nicht in der Paraderolle. Gesprochen hätten sie nicht miteinander.
Rechtsstreit ein willkommener Werbeeffekt
Der Rechtsstreit sei ein willkommener Werbeeffekt gewesen, räumte Forster ein. «Wir haben das auch an den Verkaufszahlen gemerkt.» Nach coronabedingten Verschiebungen und Absagen sind derzeit rund 40 Auftritte geplant. «Natürlich ist es nach wie vor auch irgendwo ein besonderes Lob, wenn die originale Tina Turner der Meinung ist, dass die Darstellerin in unserer Show ihr so ähnlich sieht», sagte Forster.
Fletcher selbst gibt sich entspannter: Sie mache schliesslich auch andere Sachen. Sie sei aber überrascht gewesen, wo der Disput mit Turner überall aufgegriffen worden sei: «Ein Freund rief mich an, dass mein Name im "National Enquirer" ist, das ist das grösste Magazin in den Vereinigten Staaten», sagte sie. «Das kann gut für mich sein, das kann schlecht für mich sein, wer weiss.» Jeder habe seine Meinung.