Türkei und Griechenland rüsten an der Grenze auf
Griechenland setzt potenziell tödliche Tränengasgeschosse ein, um Grenzübergänger aufzuhalten. Die Türkei verlegt 1000 zusätzliche Polizisten an die Grenze.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Türkei sendet 1000 weitere Polizisten an die Grenze zu Griechenland.
- Die Türkei hält eine Öffnung ihrer Grenze aus der Krisenregion Idlib für möglich.
- Die griechische Polizei setzt offenbar «potenziell tödliche» Tränengasgeschosse ein.
Die Türkei verlegt 1000 zusätzliche Polizisten an die Grenze zu Griechenland, wie das türkische Innenministerium am Donnerstag ankündigte. Diese sollen verhindern, dass die Flüchltinge aus Griechenland zurück in die Türkei gedrängt werden.
Seit der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Wochenende erklärt hatte, die türkische Grenze zur EU sei offen für Migranten und Flüchtlinge, ist die Lage an der Grenze eskaliert.
Dort haben sich auf türkischer Seite mehr als 10'000 Migranten versammelt, um von dort aus nach Westeuropa zu kommen. Die EU unterstützt die griechischen Behörden, die dies verhindern wollen.
Die Türkei hatte am Mittwoch griechische Sicherheitskräfte für den Tod eines Migranten verantwortlich gemacht, was die griechische Regierung als falsch zurückwies.
«Potenziell tödliche» Geschosse an griechischer Grenze
Die griechische Regierung teilte mit, dass sie in den vergangene Tagen 35'000 Migranten vom Grenzübertritt abgehalten habe. Einige hundert Menschen seien festgenommen worden. Migrationsminister Notis Mitarachi kündigte an, dass alle nach dem 1. März Festgenommenen zunächst in die nordgriechische Stadt Serres gebracht und dann in ihre Heimatländer abgeschoben würden.
Die griechische Polizei setzt laut einem Medienbericht an der türkischen Grenze offenbar «potenziell tödliche» Tränengasgeschosse gegen Flüchtlinge und Migranten ein. An der Grenze seien leere Tränengaskartuschen mit scharfer Spitze gefunden worden, berichtete die Investigativ-Website Bellingcat am Donnerstag.
Die Website veröffentlichte ein Foto, auf dem offenbar ein behelmter Mann hinter den Reihen der Polizei zu sehen ist, der eine solche Kartusche in ein Tränengasgewehr lädt.
«Normale Tränengasgeschosse» hätten nur eine begrenzte Reichweite und verursachten eher keine schweren Verletzungen, hiess es in dem Bericht. Die gefundenen Geschosse hätten hingegen «deutlich mehr Wucht». In Kombination mit der scharfen Spitze seien sie «potenziell tödlich». Durch ähnliche Geschosse seien zahlreiche Demonstranten im Irak schwer verletzt oder getötet worden.
Grenzöffnung für Flüchtlinge aus syrischem Idlib möglich
Auslöser für die angespannte Lage sind vor allem die Kämpfe um das syrische Idlib, in deren Folge Hunderttausende Menschen auf der Flucht sind, auch um in der Türkei Schutz zu finden. Angesichts der Eskalation in Syrien hält die Türkei eine Öffnung ihrer Grenze für Flüchtlinge aus der Krisenregion Idlib für möglich. Die Flüchtlinge könnten dann auch weiter in die EU gelangen, sagte Innenminister Süleyman Soylu am Donnerstag.
«3,5 Millionen Menschen in Idlib und an den türkischen Grenzen sind derzeit in Not. Das unmenschliche Verhalten des Regimes dort bedeutet folgendes: auch die Türen dort werden sich öffnen und letztendlich werden sich alle auf den Weg nach Europa machen.» Er fügte hinzu: «Das ist keine Drohung oder Erpressung.» Soylu äusserte sich bei einem Besuch an der türkisch-griechischen Grenze vor Journalisten.
Rotes Kreuz: «Menschenwürde der Flüchtlinge respektieren»
Der Präsident der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung (IFRC), Francesco Rocca, hat am Donnerstag gefordert, die Menschenwürde der Flüchtlinge zu respektieren, die an der griechisch-türkischen Grenze festsitzen.
«Auf der anderen Seite sind auch Frauen und Kinder in einer sehr schwierigen Lage, bei schwierigem Wetter», sagte er vor der Presse im nordost-griechischen Grenzort Kastanies. Zuvor hatte er dort das Gebiet unmittelbar an der Grenze zur Türkei besucht.
EU hat Hilfe zugesagt
Die EU-Innenminister hatten Griechenland zuletzt 700 Millionen Euro für den Grenzschutz, aber auch für die Versorgung mehrerer tausend Flüchtlinge zugesagt, die sich bereits in Griechenland befinden.
Zudem sollen 60 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für die Menschen in Nordsyrien bereitgestellt werden, die vor den Kämpfen der syrischen Armee und Aufständischen in der Region Idlib nach Norden geflüchtet sind.
Ausserdem soll die Hilfe von Seiten der europäischen Grenzschutzagentur Frontex kommende Woche anlaufen. «Wir planen, ab Mittwoch rund 100 Einsatzkräfte in die Grenzregion Evros zu schicken», sagte eine Frontex-Sprecherin am Donnerstag der Nachrichtenagentur DPA in Warschau.
Parallel dazu will Frontex eine weitere rasche Intervention starten, mit Schwerpunkt auf dem Küstenschutz in der Ägäis. Hier geht es vor allem um die Ausrüstung mit Schiffen und Hubschraubern.
Treffen zwischen Putin und Erdogan
Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich am Donnerstag zu Gesprächen über die angespannte Lage im syrischen Idlib mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan getroffen. Er hoffe, dass es eine Lösung für die Situation gebe. Putin versicherte ausserdem, dass es zu keinen weiteren Angriffen auf türkische Soldaten in Syrien kommen soll.
Die Präsidenten wollen darüber reden, wie die Krise in der Rebellenhochburg Idlib im Nordwesten Syriens eingedämmt werden kann. Erdogan sagte, dieses Treffen sei für Idlib besonders wichtig. Die Welt schaue zu.