Ukraine EU-Kandidat, doch Russland rückt vor
Im Osten der Ukraine versucht Russland Lyssytschansk einzukesseln. Die USA sagen dem neuen EU-Beitrittskandidaten weitere Militärhilfe zu.
Das Wichtigste in Kürze
- Russland erzielt im Donbass weitere Erfolge und steht am Stadtrand von Lyssytschansk.
- Die USA sagen der Ukraine weitere Waffen im Wert von 450 Mio. Dollar zu.
- Selenskyj bezeichnet den EU-Kandidatenstatus für die Ukraine als historisch.
Die Ukraine kann sich als frischgebackener EU-Beitrittskandidat Hoffnungen auf eine Zukunft im gemeinsamen Europa machen. Zugleich aber wird die militärische Lage im östlichen Gebiet Luhansk für die ukrainische Armee immer brenzliger. Russische Truppen kämpfen sich vor und versuchen, die strategisch wichtige Stadt Lyssytschansk einzukesseln. Aus den USA kommen zusätzliche wichtige Waffen wie Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesysteme und Patrouillenboote.
Selenskyj: EU-Kandidatenstatus für Ukraine historisch
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj würdigte den EU-Kandidatenstatus für sein Land als einen historischen Moment. «Die Zukunft der Ukraine liegt in der EU.» Dies betonte er nach der Entscheidung der Staats- und Regierungschefs der EU beim Gipfel in Brüssel. Zugleich sei dies aktuell der grösste mögliche Schritt zur Stärkung Europas, «während der russische Krieg unsere Fähigkeit auf die Probe stellt, Freiheit und Einheit zu wahren.
Selenskyj hatte sich in den vergangenen Monaten massiv für eine Beitrittsperspektive starkgemacht. Er bekräftigte nun in seiner täglichen Videoansprache, dass die Ukraine in der Lage sei, ein vollwertiges EU-Mitglied zu werden.
Russische Truppen stossen bis an Stadtrand von Lyssytschansk vor
Im Osten der Ukraine drangen russische Truppen nach ukrainischen Angaben bis an den Stadtrand der Grossstadt Lyssytschansk vor. «Unsere Kämpfer haben den Vorstoss in Richtung der südlichen Ränder von Lyssytschansk aufgehalten, dem Feind Verluste zugefügt und ihn zum Rückzug gezwungen», hiess es am Donnerstagabend im Lagebericht des Generalstabs in Kiew. Die russische Armee ziehe nun Reserven heran.
Lyssytschansk ist die letzte grössere Stadt im Gebiet Luhansk, die völlig unter ukrainischer Kontrolle steht. Die Zwillingsstadt Sjewjerodonezk auf der anderen Seite des Flusses Siwerskyj Donez ist grösstenteils von russischen Truppen erobert.
Am Donnerstagmorgen wurde bekannt, dass südlich von Lyssytschansk eine ukrainische Gruppierung in den Ortschaften Solote und Hirske eingekesselt ist. Am Abend teilte das ukrainische Militär mit, dass die russischen Truppen Hirske inzwischen teilweise erobert hätten. Dem Bericht zufolge konnten sie den Kessel komplett schliessen.
USA sagen Ukraine weitere Waffen für 450 Millionen Dollar zu
Die USA kündigten weitere Waffenlieferungen an die Ukraine im Umfang von 450 Millionen Dollar an. Dazu gehörten auch Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesysteme und Patrouillenboote, sagte ein hochrangiger Vertreter des Weissen Hauses, John Kirby.
Die USA haben dem von Russland angegriffenen Land in den bisherigen vier Kriegsmonaten nach eigenen Angaben Waffen und Ausrüstung im Wert von rund 6,1 Milliarden Dollar zugesagt oder bereits geliefert. Die Regierung in Kiew bittet um mehr moderne Waffen, um die militärische Überlegenheit russischer Truppen einzudämmen.
Weisses Haus: G7-Gipfel soll Russland weiter isolieren
US-Präsident Joe Biden reist an diesem Samstag zum G7-Gipfel, der von Sonntag bis Dienstag im Schloss Elmau in Bayern stattfindet. Kirby nannte als Ziele des Gipfels, «Russland weiter von der Weltwirtschaft zu isolieren, die russische Rüstungslieferkette ins Visier zu nehmen und weiter gegen die Umgehung dieser beispiellosen Sanktionen vorzugehen». Nach dem G7-Treffen reist Biden zu einem Nato-Gipfel nach Madrid. Auch dort wird der Ukraine-Krieg im Mittelpunkt stehen.
Nike kündigt Rückzug aus Russland an
Der weltgrösste Sportartikelkonzern Nike will sich angesichts des andauernden Krieges gegen die Ukraine komplett aus Russland zurückziehen. «Nike hat die Entscheidung getroffen, den russischen Markt zu verlassen», teilte das US-Unternehmen mit. Priorität habe nun, die Beschäftigten vor Ort zu unterstützen, während der Betrieb in den kommenden Monaten heruntergefahren werde.
Der Adidas-Konkurrent hatte seine Geschäfte in Russland – wie viele andere westliche Unternehmen – bereits nach dem Einmarsch in die Ukraine deutlich eingeschränkt. Inzwischen wollen immer mehr Firmen Russland ganz den Rücken kehren.
Das wird am Freitag wichtig
Beim EU-Gipfel werden die hohe Inflation und steigende Energiepreise zum Thema, die zu den Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine gehören.
Die militärische Lage rund um Lyssytschansk wird weiter im Mittelpunkt stehen, weil Russland dort den Weg zur Kontrolle über das gesamte Gebiet Luhansk freimachen könnte.
Kurz vor dem G7-Gipfel rückt die Bundesregierung bei einer Konferenz in Berlin die weltweite Ernährungslage und die Suche nach Lösungen für blockierte Getreideausfuhren aus der Ukraine in den Blick.