Ukraine-Krieg: Bröckelt die mittel- und osteuropäische Solidarität?
Schluss mit Solidarität? Die Slowakei liefert nach dem Regierungswechsel keine Waffen mehr in den Ukraine-Krieg. Auch Polen stoppt zum Teil die Militärhilfe.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Slowakei regieren neu die eher russlandfreundlichen Sozialdemokraten.
- Die Ukraine erhält jetzt keine Militärhilfe mehr aus dem Nachbarland.
- Osteuropa-Experten schätzen ein, wie es um die Solidarität in der Region steht.
Die Slowakei hat eine neue Regierung. Eine Dreierkoalition unter der Führung von Sozialdemokrat Robert Fico von der Partei Smer hat im EU-Land die Macht übernommen. Das hat auch Folgen für die Ukraine – denn die neue slowakische Spitze hat angekündigt, die Waffenlieferungen zu stoppen. Nur noch zivile Güter werde das Nachbarland erhalten.
Vor gut einem Monat hat bereits Polen einen Waffen-Lieferstopp für die Ukraine angekündigt. Man werde nur noch die vereinbarten Lieferungen erfüllen, hiess es damals. Man könnte daraus schliessen, dass die Solidarität mit der Ukraine in Mittel- und Osteuropa abnimmt.
Neuer Slowakei-Premier als Russland-Freund bekannt
Allerdings ist das nur teilweise so, wie Osteuropa-Experte Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen erklärt. Im Fall der Slowakei bestätigt er gegenüber Nau.ch: «Der neue Kurs der slowakischen Regierung ist eine Kehrtwende.»
Direkt nach der Eskalation im Ukraine-Krieg im Februar 2022 sah das noch ganz anders aus. Schmid sagt: «Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat die Slowakei sogar ihre Militärjets der ukrainischen Luftwaffe zur Verfügung gestellt.»
So ganz überraschend kommt der Kurswechsel in Bratislava dann aber doch nicht, wie Schmid ausführt: «Robert Fico ist schon während des Georgien-Kriegs 2008 und der Annexion der Krim 2014 durch russlandfreundliche Aussagen aufgefallen.»
Jetzt sei seine Position vergleichbar mit derjenigen von Viktor Orbán in Ungarn. Budapest liefert bereits seit Kriegsbeginn keine Waffen an die Ukraine.
Nicolas Hayoz, Osteuropa-Experte an der Universität Freiburg, sagt zur slowakischen Kehrtwende: «Symbolisch wird natürlich mit dem Stopp ein Riss sichtbar gemacht in der Einheitsfront gegenüber Russlands Aggression.»
Die russlandfreundliche Haltung war laut Hayoz in der Slowakei ein wichtiges Wahlkampf-Thema: «Der populistische und autoritäre Fico hat mit seinem russlandfreundlichen Diskurs viele ältere und aus einfachen Schichten stammende Wähler ansprechen können.»
Polen muss im Ukraine-Krieg auch auf eigene Sicherheit schauen
Das polnische Beispiel ist dann wiederum ganz anders. Der Lieferstopp im Ukraine-Krieg erfolgte hier aus einem ganz pragmatischen Grund. Schmid erklärt: «Polen will sich aktuell um seine eigene militärische Sicherheit kümmern.»
In Polen dürfte nach den Wahlen Mitte Oktober auch bald eine neue Regierung übernehmen. Die Opposition um Donald Tusk könnte die PiS ablösen. Allerdings stehen dort beide Kräfte im Ukraine-Krieg grundsätzlich hinter Kiew.
Der Osteuropa-Experte hält denn auch fest: «Die Solidarität mit der Ukraine ist vor allem in den baltischen Staaten und Polen ungebrochen.» In diesem Sinne sei es «unwahrscheinlich, dass das slowakische Beispiel Schule machen wird».
Ähnlich sieht es Nicolas Hayoz von der Universität Freiburg: «Nein, die Solidarität mit der Ukraine in dieser Region bröckelt nicht – diesen Eindruck habe ich nicht.»
Polen gehört Statistiken zufolge zu den wichtigsten Unterstützern, was die Militärhilfe im Ukraine-Krieg angeht. Die Slowakei ist etwas weiter unten zu finden, leistet aber dennoch einen nicht zu unterschätzenden Beitrag.