Ukraine Krieg: «Hier denkt keiner daran, dass wir verlieren könnten»
Seit rund einem Jahr unterstützt ein Berner die Ukraine in Odessa. Noch immer hätten die Menschen Angst. Doch am Sieg im Ukraine-Krieg zweifle niemand.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor einem Jahr marschierten Putins Truppen in der Ukraine ein.
- Der Berner Bänz Margot verlängerte damals seine Ferien in Odessa und blieb bis heute.
- Obwohl der Alltag zurückkehre, sei die Stimmung nach wie vor gedrückt.
«Nach wie vor besch*ssen!» – so fasst der Berner Bänz Margot die Stimmung zusammen, die in Odessa ein Jahr nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs vorherrscht.
Vor einem Jahr beschloss der 45-Jährige nach seinen Ferien, seinen Aufenthalt in der ukrainischen Millionenstadt zu verlängern und vor Ort Hilfe zu leisten. Bis heute unterstützt er Ukrainer mit seiner selbst gegründeten Hilfsorganisation Human Front Aid.
Margot erzählt: «Die Menschen haben Angst, denn Putin ist unberechenbar, zu Gräueltaten bereit.» Insbesondere die Männer fürchten sich davor, für den Ukraine-Krieg eingezogen zu werden. Zwangsrekrutierungen werden befürchtet. Margot führt aus: «Zwar liefert der Westen Waffen, doch nicht genug. Fehlt es der Ukraine an schweren Waffen, müssen mehr Bodentruppen eingesetzt werden.»
Besonders zu schaffen machte den Ukrainern der Winter. «Der war brutal. Gerade bei den Stromausfällen: Die Leute hatten kalt, und auch die Wasserversorgung war dadurch beeinträchtigt. An Kochen war manchmal nicht zu denken.»
Fussball-Liga läuft trotz Ukraine-Krieg weiter
Doch es wird wieder wärmer, und – so widersprüchlich es scheint – es gibt auch Hoffnung, gar Zuversicht: «Hier denkt keiner daran, dass wir verlieren könnten. Im Gegenteil: Die Frage ist nur, wann wir gewinnen.» Zuletzt sorgte in der ukrainischen Bevölkerung der Besuch von US-Präsident Joe Biden in Kiew für Freude.
Auch kehrt langsam wieder ein normaler Alltag ein. Margot führt aus: «Es gibt Hochzeiten, Geburtstage werden gefeiert.» Die Oper in Odessa habe schon länger ihre Pforten wieder geöffnet. «Aus Prinzip – um ein Zeichen zu setzen.»
Jene Restaurants, die geöffnet haben, seien an manchen Tagen «randvoll». «Sogar die Fussball-Liga ist wieder gestartet. Gibt es einen Bombenalarm, wird kurz unterbrochen, bevor wieder weitergespielt wird.»
Viele Menschen blieben freiwillig in Odessa. «Sogar jene, die kein Geld mehr haben. Denn das ist ihr Zuhause.»
Getrübt wird die aufkeimende gute Stimmung durch den Jahrestag des Ukraine-Kriegs. Putin hat für diesen Tag einen Grosseinsatz angekündigt. Margot schüttelt den Kopf: «Jede Freude, die die Menschen hier empfinden, wird mit einem Gedanken an dieses Szenario zerrüttet.»
Verteilt an manchen Tagen 3000 bis 5000 Franken
Auch Flüchtlingswellen stellten ein Problem dar. «Jeden Tag treffe ich Menschen, die von Cherson kommen und sagen: Dort können wir nicht mehr leben.» Die Unterstützung dieser Menschen sei für Margot intensiv. «Aber sie ist wichtig.» Zwischen 3000 und 5000 Franken verteile er an manchen Tagen an die bedürftigsten Familien der Stadt.
«Direkte Geldhilfe bringt manchmal mehr als Sachspenden.» Denn: Hilfe von Hilfsorganisationen komme oft zu spät. «Erst vor einigen Tagen kam eine Charge Winterkleidung rein. Jetzt wird es wieder wärmer, gebraucht hätten dies die Ukrainer aber vor zwei Monaten. Nicht erst jetzt.»
Margot selbst habe sich an die Krisen-Lage gewöhnt. «Die ganze Panik, die brutale Angst vom Anfang, habe ich im Moment nicht. Langsam spüre ich einen Ausgleich.»