Ukraine-Krieg: Kiew kehrt zurück zur Normalität – Soldat warnt
Der Ukraine-Krieg ist in der Hauptstadt Kiew deutlich weniger präsent als auch schon. Ein Soldat sagt nun sogar, die Leute würden die Gefahr unterschätzen.
Das Wichtigste in Kürze
- In Kiew verschwindet der Krieg langsam, aber sicher aus dem Alltag.
- In Bars oder Geschäften wollen Einwohnerinnen und Einwohner die Kämpfe vergessen.
- Ein Soldat schlägt hingegen Alarm: «Jeder wird früher oder später kämpfen müssen.»
Spätestens seit Februar 2022 ist der Krieg mit Russland in der Ukraine ein Dauerthema. Auch die Hauptstadt Kiew wurde bereits von Wladimir Putins Truppen angegriffen.
Aktuell ist die Gefahr allerdings kaum präsent, wie ein Bericht aus der SRF-Sendung «Echo der Zeit» zeigt. Wie es heisst, seien Restaurants oder Läden derzeit ziemlich voll. Auch der Verkehr auf den Strassen habe zuletzt wieder zugenommen.
«Jeder Ukrainer vergisst mal, dass Krieg ist»
Viele würden sich derzeit nach Ablenkung vom Ukraine-Krieg sehnen, erzählt Barkeeper Ilja dem SRF. Der Mann, der in der Bar «Betrunkene Kirsche» arbeitet, sagt: «Wir sorgen für gute Stimmung, plaudern mit den Gästen.»
Drei Besucherinnen der Bar, deren Männer beim Katastrophenschutz beschäftigt ist, bestätigen dies. Eine von ihnen sagt: «Die ‹Betrunkene Kirsche› ist der perfekte Ort, um auf die Befreiung unserer Heimat zu warten.» Das Lokal sorge für gute Stimmung. Alle drei Frauen stammen aus dem umkämpften Gebiet Luhansk im Osten der Ukraine.
Auch ein Buchladen in Kiew erlebt derzeit einen Ansturm, wie Geschäftsleiterin Katerina Demidenko sagt. Für sie ist trotz der schwierigen Situation klar: «Jeder Ukrainer vergisst mal für ein paar Minuten, dass Krieg ist.»
Eigentlich sei der Ukraine-Krieg aber immer präsent. Sie selbst habe ebenfalls Freunde, die ums Leben gekommen seien. Den Soldaten ist sie dankbar: «Sie stehen schliesslich in den Schützengräben, damit wir hier unseren schönen Buchladen betreiben können.»
Soldat warnt: Ukraine-Krieg wird nicht einfach vorbeigehen
Nicht alle sehen die Rückkehr zur Normalität jedoch positiv. Journalist Evgen Schibalow, der selbst in der Armee ist, erklärt gegenüber dem SRF, weshalb er skeptisch ist: «Viele Ukrainer glauben, der Sieg sei schon nah – und sie müssten nicht kämpfen gehen. Die Soldaten würden das schon alleine schaffen.»
Aber der Krieg dauert an und die Kämpfe bleiben hart – mit grossen Verlusten auf beiden Seiten, warnt er. «Sogar ehemalige Kriegsgefangene wie ich werden nicht aus der Armee entlassen. Das zeigt, wie katastrophal der Mangel an Soldaten ist.»
Für Schibalow ist klar: «Jeder wird früher oder später kämpfen müssen.» Leute, die hoffen, dass der Krieg an ihnen vorbeigehen würde, tun dies laut ihm demnach vergeblich. Auch wenn Präsident Wolodymyr Selenskyj bisher mit einer noch umfassenderen Mobilisierung zuwartet.
Derzeit steht im Ukraine-Krieg insbesondere der Ort Awdijiwka in der Region Donbass im Fokus. Die Russen haben zuletzt eine Offensive auf die Stadt gestartet. Dies führt sowohl aufseiten der Russen als auch aufseiten der Ukrainer zu hohen Verlusten. Teilweise ist sogar von einem zweiten Bachmut die Rede.