Ukraine Krieg: «Putin hat sich bei China total verschätzt»
Die russische Armee erleidet im Ukraine-Krieg in den letzten Wochen viele Rückschläge. Grosse Sorgen dürfte Wladimir Putin aber auch anderes machen.
Das Wichtigste in Kürze
- Putin denkt, er sei in der Ukraine noch am Siegen, erklärt ein früherer Berater.
- Zwar verliere er viele Soldaten, habe jedoch Gebiete mit sieben Mio. Menschen annektiert.
- Völlig verschätzt habe sich der Kremlchef in Sachen China, findet Andrei Illarionow.
Vor acht Monaten nahm der Ukraine-Krieg seinen Anfang. Während die russischen Streitkräfte vor allem zu Beginn viele ukrainische Gebiete besetzten, sieht es mittlerweile anders aus. Dank einer erfolgreichen Gegenoffensive machte die Ukraine in den letzten Wochen viel Boden gut.
Die Niederlagen und Rückzüge auf dem Schlachtfeld bringen Kremlchef Wladimir Putin zunehmend unter Druck. Auch die lange Dauer des Ukraine-Kriegs gilt als Fehlkalkulation des 70-Jährigen.
Völlig verrechnet hat sich Putin aber nicht, findet zumindest der Ökonom Andrei Illarionow. Der 61-jährige Russe war früher einmal der Haupt-Wirtschaftsberater des Kremlchefs.
«Viele beurteilen Putin ausgehend von ihrer zivilisierten, demokratischen Gesellschaft. Aber er hat andere Kriterien. Seines Erachtens ist er noch am Siegen», erklärt der zum Putin-Kritiker gewordene Russe gegenüber der «SonntagsZeitung».
Gebiet mit 6 bis 7 Millionen Menschen annektiert
Zwar habe Putin nicht einmal über die Hälfte der Ukraine die Kontrolle. Er halte es aber immer noch für möglich, dass er die Ukraine vom Schwarzmeer abschneiden könne. «Was er aber schon erzielt hat, ist die Annexion von vier ukrainischen Gebieten.»
Dabei könne man die angeblich bis zu 90'000 im Ukraine-Krieg gefallenen Soldaten «zynisch berechnend» Bauernopfer nennen. Für sie habe Putin ein Gebiet mit sechs bis sieben Millionen Menschen gewonnen. «Seit dem Jahr 2000 redet er ja davon, das demografische Problem Russlands lösen zu wollen», sagt Illarionow.
Reserven reichen noch für ein Jahr Ukraine-Krieg
Ein grosses Problem für Putin sieht der frühere Wirtschaftsberater im Zustand der russischen Gold- und Währungsreserven. «Hier geht eine Katastrophe für Putin vor sich, die sich sehr dynamisch entwickelt», zitiert ihn die «SonntagsZeitung» weiter.
Seit Kriegsbeginn seien aus den 643,2 Milliarden Dollar an Reserven nur noch 240 Milliarden übriggeblieben. Das bedeutet ein Minus von 30 Prozent. 300 Milliarden wurden dabei vom Westen im Zuge der Sanktionen eingefroren.
Die übrig gebliebenen Reserven reichen dank dieser Massnahmen «real nur noch für gut ein Jahr» Krieg.
Putin hat sich bei China «total verschätzt»
Ein weiteres Problem für Putin stellt gemäss Illarionow China dar. Wenn sich Putin «irgendwo total verschätzt hat, dann bei China».
Das Land habe dem Kremlchef «sowohl die wirtschaftliche als auch die militärische Hilfe verweigert. Und jetzt distanziert sich China auch diplomatisch von Russland.» Diese Distanzierung sei für Putin «ein Schlag unter die Gürtellinie».
Andrei Illarionow zog sich 2005 aus seinen Tätigkeiten für Russland zurück. Er beklagte, das Land sei «ein unfreier, kriegshetzerischer Staat», der «von einer Clique» regiert werde. Zuvor war er seit 1999 Putins Haupt-Wirtschaftsberater und vertrat Russland bei der G8.