Ukraine-Krieg: Putin startet vor «Tag des Sieges» mehr Angriffe
Das Wichtigste in Kürze
- Am 9. Mai finden in Russland traditionell die Feierlichkeiten zum Weltkriegsende statt.
- Der Kreml versucht, bis zum Tag des Sieges noch militärische Erfolge einzufahren.
- Putin wird die Ereignisse in der Ukraine aber wohl sowieso als Sieg darstellen.
Der morgige 9. Mai ist einer der wichtigsten russischen Feiertage. Mit der Eskalation im Ukraine-Krieg hat er eine noch grössere Bedeutung erhalten.
Unvergessen ist beispielsweise die Rede von Wladimir Putin nach Beginn der Invasion im Jahr 2022. Damals rechtfertigte er die sogenannte Spezialoperation mit dem Verhalten des Westens und einem drohenden Weltkrieg. Und die Militärparade durfte wie immer nicht fehlen.
Auch in an diesem Donnerstag wird in Moskau und anderen Städten wieder gefeiert. Was ist also zu erwarten?
Laut Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen sollen 9000 Soldaten und 75 Militärfahrzeuge – eine «kleine Zahl» – an der Parade teilnehmen. «Der Kreml verteilt wieder massenweise Georgsbändchen unter der Bevölkerung und hofft auf eine grosse Zuschauerzahl», so der Russland-Experte gegenüber Nau.ch.
Das Georgsbändchen ist ein schwarz-oranges Abzeichen. Es hat einen militärischen Ursprung und dient den Russen im Ukraine-Krieg immer wieder als Propaganda-Symbol.
Die diesjährigen Paraden dürften aber reduziert oder gar nicht stattfinden, sagt Nicolas Hayoz von der Universität Freiburg. Dies wegen des andauernden Kriegs und der Gefahr von ukrainischen Drohnenangriffen. Westliche Gäste werde es sicher keine geben.
Russland will Kleinstadt vor 9. Mai erobern
Schmid setzt zumindest ein Fragezeichen hinter die Kriegsbegeisterung der Russinnen und Russen. «Die Stimmung in Russland ist nach wie vor gedämpft», hält er fest. Soziologen würden von einem «organisierten Konsens der Nichtablehnung» des Ukraine-Kriegs sprechen.
Möglicherweise könnte eine Eroberung der Kleinstadt Tschassiw Jar die Stimmung heben. Laut dem Befehlshaber der ukrainischen Armee, Oleksandr Syrskyj, wolle Russland diese bis zum 9. Mai einnehmen, sagt Schmid. Allerdings ist fraglich, ob das realistisch ist.
Russland-Experte Hayoz vermutet, dass Putin die bisherigen Erfolge als wichtige Schritte darstellen wird. «Er wird wahrscheinlich in diesem Jahr versuchen, die Terraingewinne in der Ukraine als grossen Sieg der russischen Offensive darzustellen.»
Klar ist für ihn auch: Im Hinblick auf den Tag des Sieges gibt es nochmals verstärkte russische Angriffe. Dies werde von einigen Medien beobachtet.
«Putin kann alles als Sieg verkaufen»
Ob der Druck auf den Kreml vor dem Tag des Sieges aber tatsächlich zunimmt, ist schwierig zu sagen. Denn das Regime stelle sich vor allem selbst unter Druck, sagt Hayoz. «Es hat ja riesige Verluste hingenommen, um ein paar Kilometer voranzukommen in der Ostukraine.»
Man dürfe nicht vergessen, dass es letztlich vor allem darum gehe, wie Moskau die Kriegsereignisse darstellen könne. Hayoz sagt: «Putin kann alles als Sieg verkaufen. Es gibt für ihn keine Niederlage.»
Die Bevölkerung soll am Feiertag in jedem Fall nochmals für den Ukraine-Krieg motiviert werden.
«Der 9. Mai wird sicher auch dazu benutzt werden, um das Volk ‹einzuschwören› auf den grossen Kampf gegen die Feinde Russlands. Womit neben der Ukraine der Westen gemeint ist», sagt Hayoz.
Erst diese Woche schickte Putin eine Reihe neuer Drohungen an den Westen. Diese scheinen immer konkreter und nervöser zu werden. Zudem wurde am Montag bekannt, dass Putin offenbar Atom-Übungen in der Nähe der Ukraine angeordnet hat.
Genozid-Narrativ könnte neu ins Spiel kommen
Was das Narrativ des Feiertags angeht, dürfte es laut Schmid kaum etwas Neues geben. In Russland dominiere nach wie vor der Sieg über Hitlerdeutschland. «Möglicherweise kommt auch ein neues Narrativ, das in letzter Zeit immer prominenter aufscheint, ins Spiel: der angebliche Genozid der Nazis am sowjetischen Volk während des Zweiten Weltkriegs», sagt der Experte.
Ob Wladimir Putin eine neue Mobilisierung oder Ähnliches ankündigt, ist fraglich. Denn eine solche sei laut Schmid «militärisch notwendig, aber politisch heikel». 58 Prozent sind laut einer Umfrage vom Februar 2024 dagegen.
Glauben Sie, dass der Ukraine-Krieg bald endet?
Hayoz erwartet, dass Putin Durchhalteparolen durchgibt, die grossen Opfer rühmt und den Sieg in Aussicht stellt.
Im Vorfeld sorgte in Moskau bereits eine Ausstellung von erbeuteten westlichen Panzern für Wirbel. Diese wurde am 1. Mai im Park Pobedy (Park des Sieges) eröffnet. Auch ein Schweizer Militärfahrzeug ist Berichten zufolge zu sehen.
Kiew verschiebt Feiertag wegen Ukraine-Krieg
Hintergrund des Feiertags am 9. Mai ist das Ende des Zweiten Weltkriegs 1945. Insbesondere wird der Sieg der Alliierten über die Nazis zelebriert. Diese Anti-Nazi-Rhetorik überträgt der Kreml auch immer wieder auf den Ukraine-Krieg.
Nicht überall in Europa wird der Sieg über die Nazis indes am 9. Mai gefeiert.
Die Ukraine feierte beispielsweise früher ebenfalls an diesem Tag. Nach der Krim-Annexion verschob man das Datum aber um einen Tag nach vorne – auf den 8. Mai.
In anderen Staaten wird auch bereits am 8. Mai gefeiert. Oft wird vom «Tag der Befreiung» gesprochen.