Ukraine-Krieg: Russische Wirtschaft funktioniert besser als erwartet
Immer wieder wird darüber spekuliert, wie lange sich Russland den Ukraine-Krieg leisten kann. Doch die Produktion des Landes zeigt bisher noch keine Schwäche.
Das Wichtigste in Kürze
- Russlands Wirtschaft konnte sich Experten zufolge gut an den Krieg anpassen.
- Man wisse bisher schlicht nicht, wo die Grenzen der Kreml-Industrie liegen.
- Gerade für die ärmeren Schichten lohnt sich der Krieg in der Ukraine finanziell sogar.
Ein Krieg stellt die Wirtschaft eines Landes vor grosse Herausforderungen. Das ist auch im Falle Russlands mit Blick auf den Ukraine-Krieg nicht anders. Gerade wenn man sieht, dass viele westliche Staaten mit Sanktionen auf die Invasion reagiert haben.
Dennoch scheint Russlands Industrie bisher gut mit der Situation zurechtzukommen, wie der «Guardian» berichtet. Moskau habe es demnach geschafft, die Produktion in den letzten beiden Jahren massiv auszubauen.
Das zeigt sich in verschiedenen wirtschaftlichen Daten. Laut Präsident Wladimir Putin wurden über eine halbe Million neue Jobs in der Militärindustrie kreiert. Aktuell sollen rund 3,5 Millionen Russen in diesem Bereich arbeiten. Wie unter anderem die «Moscow Times» im November berichtete, erhalten Leute in der Branche mittlerweile sogar höhere Gehälter als IT-Spezialisten.
Mark Riisik vom Verteidigungsministerium Estlands zeigt sich angesichts dieser Entwicklung besorgt: «Wir wissen immer noch nicht, wo Russlands Grenze liegt.»
Etwa ein Drittel des nationalen Budgets würde mittlerweile in die Militärindustrie und den Ukraine-Krieg investiert. «Aber wir wissen nicht, wann sich das tatsächlich auf die Gesellschaft auswirken wird», so Riisik.
Rüstungsunternehmen sind oft ineffizient
Ein wichtiges Indiz für die Stärke der russischen Industrie sind die Granaten, die im Inland hergestellt werden können. Der Trend zeigt Experten zufolge auch hier nach oben.
Gemäss Riisik könnten es in den nächsten ein bis zwei Jahren über vier Millionen Stück pro Jahr werden. Dazu kommen importierte Waren aus Nordkorea sowie der bereits bestehende Vorrat.
«Das ist viel mehr, als wir erwartet haben», sagt Riisik zu den Zahlen. Konkret haben die Russen in der Artillerie eine Überlegenheit von drei zu eins gegenüber der Ukraine. Oft ist der Unterschied sogar noch grösser.
Die grossen Profiteure sind die russischen Rüstungsunternehmen. Wie Militär- und Wirtschaftsexperte Richard Connolly erklärt, waren diese vor dem Ukraine-Krieg oft ineffizient. Jetzt, wo die Produktion hochgefahren werden konnte, sieht das anders aus.
Connolly spricht im Zusammenhang mit der russischen Wirtschaft von einer «Kalaschnikow-Wirtschaft». Diese sei «für den Einsatz in grossem Massstab und in Konflikten gebaut». Das lohnte sich zwar jahrelang nicht – nun mit dem Ukraine-Krieg aber schon.
Interessant ist auch, dass durch die oben erwähnten höheren Gehälter auch die armen Menschen profitieren können. Soziologe Denis Wolkow vom Lewada-Zentrum sagt: «Der Krieg hat zu einer noch nie dagewesenen Umverteilung des Reichtums geführt.» Die Staatsausgaben im militärischen Bereich kommen den ärmeren Schichten zugute.