Ukraine-Krieg: Sasha (15) wurde von Russen entführt
Sasha (15) ist eines von vielen Kindern, das unter dem Vorwand von Schutz im Ukraine-Krieg von Russland entführt wurde. In einem Interview erzählt er davon.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit Beginn des Ukraine-Kriegs wurden zahlreiche ukrainische Kinder verschleppt.
- Auch Sasha (15) verbrachte sechs Wochen in einem Internat im Separatistengebiet.
- In einem Interview mit der britischen BBC erzählt er nun seine Geschichte.
Sasha (15) ist einer von zahlreichen ukrainischen Kindern und Teenagern, die gegen ihren Willen in russisch kontrollierte Gebiete gebracht wurden. Erst als seine Mutter im Herbst allein in das Separatistengebiet reiste, konnte er wieder zurück nach Hause.
Jetzt lebt die Familie als Flüchtlinge in Deutschland. In einem Interview mit der britischen BBC erzählen Sasha und seine Mutter nun seine Geschichte.
Vor dem Ukraine-Krieg besuchte der 15-Jährige ein Internat in Kupjansk, einer Stadt in der Region Charkiw. Aber dann kam der Ukraine-Krieg – Sashas Mutter Tetyana behielt ihn zuhause. Denn fast die gesamte Region Charkiw wurde im Februar 2022 von Russland eingenommen.
Im September forderte dann die Administration der Besatzer alle Kinder auf, in die Schule zurückzukehren. Dies geschah in allen besetzten Gebieten – es wurden extra Lehrer aus Russland geholt, die den russischen Lehrplan unterrichten sollten.
Auch Sasha ging zurück ins Internat, nachdem er sich sieben Monate lang in seinem Dorf nur gelangweilt hatte. Das war am 3. September, nur wenige Tage später begann die ukrainische Gegenoffensive im Ukraine-Krieg.
«Ich wusste nicht, wo sie uns hinbringen»
«Wir hörten den Lärm aus der Ferne, die Explosionen, dann die Helikopter und Schüsse», erinnert sich Tetyana. Verzweifelt versuchte sie, ihren Sohn zu erreichen. «Als wir die Schule anriefen, war nur noch der Hausabwart übrig. Er sagte, die Kinder seien mitgenommen worden, niemand wisse, wohin.»
Ein Lehrer erzählt dem britischen Sender, dass an dem Tag rund ein Dutzend schwerbewaffnete russische Soldaten in die Schule kamen. «Sie kümmerten sich nicht darum, Dokumente mitzunehmen oder die Eltern zu kontaktieren», erinnert er sich. «Sie stopften die Kinder in einen Bus mit ein paar anderen Flüchtlingen und fuhren ab.»
Der 15-Jährige wird diesen Tag wohl nie vergessen. «Wenn ich ehrlich bin, hatte ich grosse Angst», erzählt er. «Ich wusste nicht, wo sie uns hinbringen». Russland rechtfertigt die Entführungen von ukrainischen Kindern damit, dass diese aus dem Kriegsgebiet «evakuiert» würden.
Sasha hat sich durch das Erlebte aber stark verändert. Auch jetzt, Monate später, zieht sich der Teenager laut seiner Mutter öfter zurück als vorher. Er ist oft am Handy, hat sogar graue Haare von dem ganzen Stress.
Sechs Wochen lang musste Sasha in einem Internat im Separatistengebiet Luhansk im Osten der Ukraine verbringen. «Sie sagten ihm, sein zu Hause sei zerstört worden. Er hatte Angst, dass wir tot seien», erzählt seine Mutter.
Erst nach einem ganzen Monat voller Ungewissheit entdeckte eine Freundin der Familie Sasha in einem Bild auf Social Media. Schliesslich, zwei Wochen später erhielt Tetyana eine Nachricht von ihrem Sohn. «Er war glücklich, mit mir zu sprechen, aber er weinte ohne Pause», erinnert sie sich an ein darauffolgendes Telefongespräch.
Mutter musste nach Russland reisen
Noch war die Sache aber für die Familie nicht vorbei. Um Sasha zurückzuholen, musste Tetyana ihn persönlich abholen. Die direkte Route hätte aber die Frontlinie im Ukraine-Krieg durchquert. Stattdessen reiste Tetyana über Polen, Litauen und Lettland und überquerte zu Fuss die Grenze nach Russland.
An der Grenze wurde sie vom Geheimdienst FSB verhört, wusste aber nichts über Truppenbewegungen im Ukraine-Krieg und wurde freigelassen. Dann ging es weiter in den Süden bis in den besetzten Osten der Ukraine. «Es war stockdunkel, überall waren Kontrollpunkte, Männer in Sturmhauben, mit Waffen», erzählt Tetyana. «Ich hatte solche Angst, ich musste Beruhigungstabletten nehmen.»
Nach einer anstrengenden fünftägigen Reise erreichte sie endlich das Internat und konnte ihren Sohn in die Arme schliessen. Sasha habe nichts gesagt, er habe nur geweint.