Wagner-Söldner packt über Putin und den Ukraine-Krieg aus
Marat Gabidullin war Söldner in der berüchtigten Wagner-Gruppe. In einem Buch äussert sich der Russe zum Ukraine-Krieg und dem Regime Putins.
Das Wichtigste in Kürze
- Marat Gabidullin (55) diente vier Jahre lang in der Wagner-Gruppe.
- Der Russe äussert sich als erster Wagner-Söldner öffentlich über das Erlebte.
- Er kritisiert den Ukraine-Krieg und Putins System, sieht aber gewisse Einsätze als Erfolg.
Seit über vier Monaten tobt der Ukraine-Krieg. Wladimir Putins Pläne, die selbsternannte «militärische Spezialoperation zur Entnazifizierung» binnen weniger Tage erfolgreich abzuschliessen, sind längst gescheitert. Auch Marat Gabidullin war einst Teil dieser Pläne.
Der Ex-Söldner diente vier Jahre lang in der berüchtigten Schattenarmee des russischen Präsidenten: der Wagner-Gruppe. Gabidullin spricht als erster Kämpfer der Wagner-Gruppe offen und nicht im Schutz der Anonymität über das Erlebte mit dem «Spiegel».
Dass er sich 2015 den russischen Söldnern anschloss, bereut der 55-Jährige nicht. «Diese vier Jahre haben mich aufgeweckt. Ich habe mich verändert», sagt Gabidullin.
Auf seine Zeit in Syrien ist er aber weiterhin stolz, obwohl er bei einem Einsatz beinahe ums Leben kam. «Wenn wir 2015 nicht in diesen Krieg eingestiegen wären, dann wäre Syrien in einem verdammten Chaos versunken», behauptet er.
Söldner «kämpfen besser» als Soldaten
Für den russischen Staatsbürger seien die Söldner der Wagner-Truppe erfahrener und kampftüchtiger als normale Soldaten. Es seien viele Veteranen der russischen Streitkräfte darunter, die Erfahrung in mehreren Kriegen gesammelt hätten, etwa in Tschetschenien oder Afghanistan.
Gabidullin glaubt: Dank der Söldner könnten Kriege überhaupt «durchgeführt» werden. Denn Armeen in autoritären Staaten wie Syrien und Russland seien ineffizient und schwach.
Man habe Wagner ins Leben gerufen, «weil Söldner besser kämpfen und weil es den Generälen um sie nicht schade ist». Die Söldner tauchten nicht in Statistiken auf, das Verteidigungsministerium müsse sich für ihre Taten nicht verantworten, sagt Gabidullin. Sie würden nur für Training und Kampfeinsätze bezahlt.
Russlands Streitkräfte «grösstes Übel» im Ukraine-Krieg
Am Donnerstag erscheint sein Buch, das im Tagebuch-Stil geschrieben ist. Verbrechen gegen Zivilisten, die den Wagner-Söldnern vorgeworfen werden, erwähnt er darin demnach mit keinem Wort.
Widerliche Kriegsverbrechen, Folter von Gefangenen und vieles mehr gebe es leider überall, wo Krieg herrscht, sagt er. Dass die Söldner in dieser Hinsicht schlimmer sein könnten als andere russische Soldaten, bestreitet er.
Die Söldner seien auch im Ukraine-Krieg nicht die brutalste Partei. «Das grösste Übel sind die Streitkräfte!» Für die Gräueltaten von Butscha, davon ist Gabidullin überzeugt, seien reguläre russische Soldaten verantwortlich.
«Ich weiss, wer zu diesen Streitkräften gehört. Leute mit ganz primitivem Denken, mit einer kranken Psyche, die unvorbereitet in diesen Krieg geschickt wurden. Sie sind durchgedreht», so Gabidullin.
Ex-Wagner-Söldner ist gegen den Ukraine-Krieg
Den von Wladimir Putin gestarteten Ukraine-Krieg hält der Ex-Söldner für falsch: «Was haben uns die Ukrainer denn getan? Verteidigen wir dort unser Vaterland? – Natürlich nicht!»
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu ist Gabidullin ein Dorn im Auge. Schoigu richte die Streitkräfte zugrunde. Junge russische Männer würden im Ukraine-Krieg verheizt oder zu Krüppeln gemacht und das wirtschaftliche Potenzial des Landes zerstört.
Das Geld, das Russland nun durch höhere Öl- und Gaspreise einnehme, sei schnell wieder ausgegeben. «Ein Teil wird geplündert, ein Teil geht für Waffen drauf, und für das Volk bleibt nichts.»
Wenn alles vorbei ist, möchte Gabidullin in einer glücklicheren Zukunft nach Russland zurückkehren. Er wolle helfen, eine professionelle Armee aufzubauen. Aber unter einem autoritären Herrscher könne es die nicht geben, so Gabidullin.