Aktivisten und Experten fordern Doppelstrategie gegen Virus und für das Klima
Umweltverbände und Experten haben dazu aufgerufen, Wiederaufbauprogramme nach der Corona-Krise für eine nachhaltigere und zukunftsfähigere Ausrichtung der Wirtschaft zu nutzen.
Das Wichtigste in Kürze
- Thunberg: Jetzt handeln und auf den Rat der Wissenschaft hören.
«Wir müssen die Corona-Pandemie gleichzeitig mit dem Klima- und Umweltnotstand angehen», sagte Fridays-for-Future-Initiatorin Greta Thunberg am Mittwoch in Stockholm per Video. Ähnlich äusserten sich Vertreter von Greenpeace und weiteren Organisationen sowie führende Klimawissenschaftler.
Bei Corona wie beim Klima sei jetzt wichtig, «Streitigkeiten beiseite zu lassen und zu handeln», sagte Thunberg auf einer Veranstaltung anlässlich des internationalen Umweltgedenktages «Earth Day». Auch sei es in beiden Fällen wichtig, auf den Rat der Wissenschaft zu hören. «Die globale Erwärmung erhöht auch das Risiko globaler Pandemien», sagte der per Video zugeschaltete Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström. Unsere Lebensweise bringe «die Gesundheit der Menschen und der Natur auf einen Kollisionskurs».
«Wir müssen die wirtschaftliche Erholung von Covid-19 mit mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit verbinden», forderte die Leiterin von Greenpeace International, Jennifer Morgan, anlässlich des bevorstehenden Internationalen Petersberger Klimadialogs. Die Regierungen müssten beides jetzt zusammendenken.
Eine "herausragende Verantwortung habe hier Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die am Dienstag auf dem Klimadialog sprechen will, um die Forderungen der Klimawissenschaft wieder nach vorne auf die Agenda zu bringen. "Jetzt ist der Augenblick für einen besseren Wiederaufbau", forderte Morgan deutsche Unterstützung für den auf EU-Ebene geplanten "Green Deal".
«Wir brauchen beim Wiederaufbau eine Doppelstrategie», sagte auch der Politische Direktor von Germanwatch, Christoph Bals. Beim Coronavirus bleibe es die Aufgabe, «die Kurve abzuflachen» und beim Klimaschutz gehe es weiter darum, «die globale Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten».
Bals und Morgan drängten darauf, beim Petersberger Klimadialog die Weichen für ehrgeizigere nationale Emissionsziele zu stellen, wie es das Pariser Klimaschutzabkommen erfordert. So müsse mindestens das EU-Emissionsziel bis 2030 auf 55 Prozent angehoben werden, wie es auch die EU-Kommission anstrebt. Eigentlich wäre nach wissenschaftlichen Kriterien sogar eine Minderung des CO2-Ausstosses um 65 Prozent erforderlich, hob Bals hervor.
«Wir müssen jetzt in die Industrien der Zukunft investieren, nicht in die Industrien der Vergangenheit», sagte auch der Ökonom und Klimabeauftragte der britischen Regierung, Nigel Topping. Es gehe um den Ausbau erneuerbarer Energien und emissionsfreien Verkehr. Energetische Gebäudesanierung sei gerade in der Krise «eine Chance, neue Arbeitsplätze zu schaffen».
Beim Neustart der Wirtschaft nach der Pandemie dürfe es «kein Weiter-so» geben, mahnte der britische Wirtschaftswissenschaftler Michael Jacobs. Statt auf kurzfristige Wachstumsziele zu schauen, müssten die voraussichtlich knapper werdenden staatlichen Mittel für mehr Zukunftsfähigkeit eingesetzt werden, verlangte Morgan.
Am Petersberger Klimadialog, der normalerweise in Berlin stattfindet, nehmen hochrangige Regierungsvertreter von rund 30 Staaten teil. Eingeladen sind auch UN-Generalsekretär António Guterres und der britische Premierminister Boris Johnson. Ein Ziel sind Weichenstellungen für die nächste UN-Klimakonferenz. Diese sollte im November in Glasgow stattfinden, wurde wegen der Corona-Pandemie aber auf 2021 verschoben.