Umweltverbände und Experten fordern Doppelstrategie gegen Virus und für das Klima
Umweltverbände und Experten haben dazu aufgerufen, Wiederaufbauprogramme nach der Corona-Krise für eine nachhaltigere und zukunftsfähigere Ausrichtung der Wirtschaft zu nutzen.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor Petersberger Klimadialog Weichenstellungen für die Zukunft verlangt.
«Wir müssen die wirtschaftliche Erholung von Covid-19 mit mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit verbinden», sagte die Leiterin von Greenpeace International, Jennifer Morgan, am Mittwoch in einem Video-Briefing anlässlich des Internationalen Petersberger Klimadialogs. Diese hochrangige politische Konferenz findet Anfang kommender Woche ebenfalls virtuell statt.
Die Regierungen müssen beides jetzt zusammendenken, sagte Morgan besonders auch mit Blick auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die am Dienstag auf der Konferenz sprechen will. Die Kanzlerin habe «eine herausragende Verantwortung», um die Forderungen der Klimawissenschaft wieder nach vorne auf die Agenda zu bringen. «Jetzt ist der Augenblick für einen besseren Wiederaufbau», forderte Morgan deutsche Unterstützung für den auf EU-Ebene geplanten «Green Deal».
«Wir brauchen beim Wiederaufbau eine Doppelstrategie», sagte auch der Politische Direktor von Germanwatch, Christoph Bals. Beim Coronavirus bleibe es die Aufgabe, «die Kurve abzuflachen» und beim Klimaschutz gehe es weiter darum, «die globale Erwärmung unter 1,5 Grad zu halten».
Bals und Morgan drängten darauf, beim Petersberger Klimadialog die Weichen für ehrgeizigere nationale Emissionsziele zu stellen, wie es das Pariser Klimaschutzabkommen erfordert. So müsse mindestens das EU-Emissionsziel bis 2030 auf 55 Prozent angehoben werden, wie es auch die EU-Kommission anstrebt. Dazu müsse sich Merkel ausdrücklich bekennen. Eigentlich wäre nach wissenschaftlichen Kriterien sogar eine Minderung des CO2-Ausstosses um 65 Prozent erforderlich, hob Bals hervor.
«Wir müssen jetzt in die Industrien der Zukunft investieren, nicht in die Industrien der Vergangenheit», sagte auch der Ökonom und Klimabeauftragte der britischen Regierung, Nigel Topping. Es gehe um einen klimafreundlichen Umbau der Infrastruktur, den Ausbau erneuerbarer Energien und emissionsfreien Verkehr. Auch die energetische Gebäudesanierung sei gerade in der Krise «eine Chance, neue Arbeitsplätze zu schaffen». Mit Blick auf ehrgeizigere Emissionsziele sagte Topping: «Jedes Land sollte in der Lage sein, schneller vorwärts zu kommen.»
Nachdrücklich warnten die Verbände und Experten davor, Fehler der Wiederaufbauprogramme nach der Finanzkrise 2008/09 zu wiederholen. Beim Neustart der Wirtschaft dürfe es «kein Weiter-so» geben, mahnte der britische Wirtschaftswissenschaftler Michael Jacobs. Die sinnvolle Ausgestaltung der Wiederaufbauprogramme sei die entscheidende Frage, auf die es jetzt ankomme, sagte auch Bals. Statt nur auf kurzfristige Wachstumsziele zu schauen, müssten die voraussichtlich knapper werdenden staatlichen Mittel für mehr Zukunftsfähigkeit eingesetzt werden, verlangte Morgan.
Am Petersberger Klimadialog, der normalerweise in Berlin stattfindet, nehmen hochrangige Regierungsvertreter von rund 30 Staaten teil. Eingeladen sind auch UN-Generalsekretär António Guterres und der britische Premierminister Boris Johnson. Ein Ziel sind Weichenstellungen für die nächste UN-Klimakonferenz. Diese sollte im November in Glasgow stattfinden, wurde wegen der Corona-Pandemie aber auf 2021 verschoben. Dies verteidigte Topping ausdrücklich. Für die Verhandlungen sei «der direkte Austausch auf Augenhöhe» wichtig, dies lasse sich nicht beispielsweise bei einer Videokonferenz umsetzen.