Klimagipfel zwischen Sorge und Wut: Kein Durchbruch in Sicht
Das Wichtigste in Kürze
- Bei der Weltklimakonferenz in Madrid wächst angesichts der noch immer mühsamen Verhandlungen die Sorge vor einem Scheitern.
Auch im Laufe des heutigen Tages zeichnete sich bei der Konferenz, die ursprünglich bereits am Freitag enden sollte, kein Durchbruch ab.
Neue Textentwürfe sorgten dagegen bei Umweltschützern und Entwicklungshelfern für grosse Wut. Auch viele der teilnehmenden Länder, darunter Deutschland, lehnten die Kompromissvorschläge ab. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach von einer «sehr ernsten Situation» und appellierte erneut eindringlich an die Staaten, zu einer Lösung zu kommen.
196 Staaten und die EU arbeiten seit zwei Wochen in der spanischen Hauptstadt an der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens aus dem Jahr 2015, mit dem die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden soll. Derzeit reichen die Fortschritte und Ankündigungen der Staaten dafür längst nicht aus.
Im Entwurf für die Abschlusserklärung fehlte unter anderem eine nachdrückliche Aufforderung, im nächsten Jahr die Ziele beim Einsparen von Treibhausgasen zu erhöhen - vor allem für Staaten, die schon jetzt mit fatalen Folgen des Klimawandels kämpfen, ist das ein Knackpunkt. Es fand sich darin lediglich eine Erinnerung an den Pariser Pakt, das eine Aktualisierung der Zusagen für 2020 vorsieht - ohne Frist oder Appell, auch wirklich etwas draufzulegen.
Bei Umweltschützern und Entwicklungshelfern wichen Enttäuschung und Entsetzen zunehmend grosser Entrüstung. «Wenn es je einen Moment in der Geschichte gab, wo die Regierungen verkackt haben, würde ich sagen: Hier in Madrid haben die Regierungen verkackt», sagte Mohamed Adow von Power Shift Africa. Menschen rund um die Welt müssten sich nun erheben, um den Planeten zu retten.
BUND-Chef Olaf Bandt sagte: «Staaten wie Australien, Brasilien oder China nehmen hier allen emotionalen Appellen zum Trotz Länder als Geisel, denen das Wasser wortwörtlich bis zum Hals steht.»
Scharfe Kritik an der chilenischen Präsidentschaft äusserte Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan: «Die Herangehensweise der COP-Präsidentschaft zeigt, dass sie stärker auf die Klimasünder gehört hat als auf die Menschen». Die deutsche Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer schrieb bei Twitter, dass die Konferenz ein fatales Signal sende - «nämlich, dass Regierungen nicht verstanden haben, was auf dem Spiel steht, dass sie bereit sind die Warnungen der Wissenschaft abzutun und es okay finden, die Stimmen von Millionen auf den Strassen zu ignorieren».
Bundesumweltministerin Schulze äusserste sich ebenfalls besorgt. «Wir haben in Europa jetzt gerade den «Green Deal» auf den Weg gebracht, da kann doch so eine Konferenz nicht ohne Ergebnis bleiben.» Es seien Texte auf den Tisch gelegt worden, die so nicht verabschiedet werden könnten. Derzeit versucht man nun, Brücken zu bauen.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) erklärte in Berlin, kein Staat könne und dürfe sich mehr aus der Verantwortung stehlen, den Ausstoss klimaschädlicher Treibhausgase zu drücken. «Jetzt muss messbar und ehrgeizig reduziert werden.»
Auch viele andere Staaten klagten über zu schwache Formulierungen. Brasilien, die USA, Saudi-Arabien und andere, die als Bremser genannt werden, zeigten sich unzufrieden - aber zu anderen Themen.
Die Präsidentin des Gipfels, Chiles Umweltministerin Carolina Schmidt, drängte die Delegationen, konstruktiv zu verhandeln: «Wir sind in der Verlängerung. Wir müssen der Aussenwelt zeigen, dass wir liefern, dass Multilateralismus funktioniert», sagte sie. Die Konferenzleitung kündigte am Nachmittag einen ambitionierteren Text an und forderte grössere Kompromissbereitschaft von den Staaten.
Es geht dieses Jahr auch darum, das Regelwerk für den internationalen Klimaschutz weitgehend abzuschliessen. Vor einem Jahr gelang keine Einigung, nach der Staaten mit Klimaschutz-Gutschriften handeln können. Wenn die Regeln aber nicht gut gemacht sind, könnten sie den Klimaschutz eher ausbremsen als fördern - darum vertritt unter anderem Deutschland die Position, eine Einigung lieber zu vertagen, als einen faulen Kompromiss zu akzeptieren. Schulze sagte dazu am Samstag, man wolle keine Einigung um jeden Preis.
Ein drittes grosses Streitthema ist die Forderung ärmerer Länder nach mehr Unterstützung reicher Industriestaaten. Dabei geht es dieses Mal vor allem um Schäden, die Extremwetter wie Stürme, Dürren oder Starkregen jetzt schon anrichten. Durch den Klimawandel werden diese noch verstärkt. Harjeet Singh von der Hilfsorganisation Action Aid sagte, die USA blockierten hier - aber auch die EU, Australien und Kanada seien nicht bereit, mehr zu tun. «Wir sehen keinen Fortschritt bei der Finanzierung. Wir können nicht einfach ständig Ambitionen der Entwicklungsländer fordern, ohne Geld auf den Tisch zu legen.»