Entscheidende Stunden in Glasgow: Bei der UN-Klimakonferenz setzen die Teilnehmerstaaten am Samstag ihre Verhandlungen über eine gemeinsame Abschlusserklärung fort.
Protestplakat in Glasgow
Protestplakat in Glasgow - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Neue Verhandlungstexte sollen Samstagmorgen veröffentlicht werden.
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Wegen einer Reihe von Differenzen über Hilfszahlungen und andere Verhandlungsthemen war die Konferenz am Freitag in die Verlängerung gegangen. Am Samstagmorgen sollen nun neue Verhandlungstexte veröffentlicht werden.

Der britische Konferenzvorsitzende Alok Sharma kündigte am Freitagabend an, er werde nun «intensive Konsultationen» führen, um für die Konferenzbeschlüsse «die richtige Balance» herzustellen. Neue Verhandlungstexte würden am Samstag gegen 08.00 Uhr (Ortszeit, 09.00 Uhr MEZ) vorgelegt. Anschliessend werde im Plenum über die Verhandlungsergebnisse beraten. Er wolle die Konferenz noch am Samstag zum Abschluss bringen, sagte Sharma.

Zu den Knackpunkten bei der COP26 zählen Finanzhilfen für ärmere Länder für Klimaschutzmassnahmen und die Anpassung an den Klimawandel sowie die Regeln für die Nutzung von Emissionszertifikaten für mehr Klimaschutz gemäss Artikel 6 des Pariser Abkommens.

Der britische Premierminister Boris Johnson rief die Industrienationen am Freitag auf, für die Entwicklungsländer «Geld auf den Tisch» zu legen. Die Industriestaaten müssten «in den nächsten Stunden» den Entwicklungsländern Hilfen zusagen für die in der Klimakrise «notwendigen Veränderungen», sagte Johnson.

Kritik gab es an abgeschwächten Formulierungen in den Verhandlungstexten, etwa zur Abkehr von fossilen Energieträgern. In dem Entwurf der COP26-Entscheidung wurde der Aufruf zum Ausstieg aus der Kohle mit dem Zusatz «ohne CO2-Abscheidung» versehen. Kohlekraftwerke mit Technologien zum Abfangen von klimaschädlichem Kohlendioxid sind damit anders als in dem ersten Entwurf vom Mittwoch ausgenommen.

Bei dem Appell an die Staaten, ihre Förderung für alle fossilen Energieträger einzustellen, wurde nun eingeschränkt, dass damit «ineffiziente» Subventionen gemeint sind. Die abgeschwächten Formulierungen sorgten nicht nur bei Aktivisten für Unmut. Der US-Klimagesandte John Kerry sagte in Glasgow, Subventionen für fossile Energien seien der «Inbegriff des Irrsinns» und müssten «aufhören».

Einen Fortschritt sahen Beobachter aber dennoch auch bei den abgeschwächten Formulierungen: Im 2015 geschlossenen Pariser Klimaabkommen waren die fossilen Energien nicht als Haupttreiber der Erderwärmung benannt worden.

Weiter enthalten in dem Entscheidungstext war auch der Aufruf an die Staaten, ihre nationalen Klimaschutzziele (NDCs) öfter als bislang geplant zu überprüfen. Bereits bis kommendes Jahr sollen sie demnach ihre NDCs auf den Prüfstand stellen - drei Jahre früher als bislang vorgesehen. Dabei wurde in der überarbeiteten Textfassung allerdings eingefügt, dass dabei jeweils «die besonderen nationalen Umstände» zu berücksichtigen seien.

Mit der häufigeren NDC-Überprüfung soll das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, in Reichweite gehalten werden. Derzeit steuert die Erde nach UN-Angaben auf eine gefährliche Erwärmung um 2,7 Grad zu.

Im Pariser Abkommen ist eine Begrenzung auf deutlich unter zwei Grad und möglichst auf 1,5 Grad vorgesehen. In der zur Verhandlung stehenden COP26-Rahmenentscheidung werden die 1,5 Grad als Zielmarke gestärkt. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) lobte dies als einen der Erfolge der COP26.

Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser warnte hingegen, ohne Nachschärfungen bei fossilen Energien und robuste Regeln für Kohlenstoffmärkte werde Glasgow «eine gefährliche Luftnummer». Klimaaktivistin Luisa Neubauer kritisierte, nichts von den bisherigen Vereinbarungen in Glasgow entspreche «dem Zeitdruck, dem ökologischen und auch humanitären Druck, unter dem wir stehen».

Das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) wertete die COP26 als Fortschritt. «Wenn die neuen Zusagen und die verabschiedeten Erklärungen etwa zur Reduktion von Methan oder dem Stopp der Entwaldung umgesetzt werden, haben sie tatsächlich das Potenzial, die Erwärmung bei rund zwei Grad Celsius zu stabilisieren», sagte die DKK-Vorstandsvorsitzende Astrid Kiendler-Scharr dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Das sei noch nicht zufriedenstellend, aber immerhin ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zum Stand direkt nach dem Pariser Abkommen. Nun komme es darauf an, dass die Staaten ihre Zusagen auch schnell umsetzen.

Auch der Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber wertete die Konferenz in Glasgow als Schritt in die richtige Richtung. «Noch in Paris war es undenkbar, die globale Dekarbonisierung bis 2050 zu beschliessen. Das ist nun Konsens», sagte Schellnhuber dem RND. «Der Ton hat sich verändert in Glasgow, und das ist gut so.»

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