Verliert Putin den Ukraine-Krieg, muss er um sein Leben fürchten
Wladimir Putin zieht laut einem Politologen eine Eskalation im Ukraine-Krieg der Niederlage vor. Er braucht deshalb einen guten Grund, um ihn zu beenden.
Das Wichtigste in Kürze
- Putin muss laut einem Politologen bei einer Niederlage um sein Leben fürchten.
- Deshalb würde er eine Eskalation einer Niederlage vorziehen.
- Auch den Einsatz einer taktischen Atomwaffe schliesst der Harvard-Politologe nicht aus.
Russland hat im Ukraine-Krieg bereits einige schmerzhafte Niederlagen eingesteckt: der Rückzug aus dem Gebiet Kiew, die Gebietsverluste um Charkiw und die verlustreiche Blamage bei einer Flussüberquerung. Doch den Krieg verloren hat Russland nicht und dies wird Wladimir Putin mit aller Kraft verhindern wollen. Denn laut einem Politologen aus Harvard müsste der Kremlchef dann um sein Leben fürchten.
Die Führungsetagen im Pentagon und dem Weissen Hause würden sich fragen, ob Putin eine eindeutige Niederlage überleben könne. Dies sagt Graham Allison im Interview mit dem «Spiegel» und gibt seine eigene Antwort darauf: «Nein.» Er würde seine Macht und wahrscheinlich auch sein Leben verlieren.
Putin würde in die Geschichte eingehen als der Mann, der die Ukraine verloren und den Westen wiederbelebt habe. Müsste Putin zwischen Niederlage und Eskalation der Gewalt und Zerstörung wählen, würde er sich «als rationaler Akteur» für Letzteres entscheiden. Denn der Kremlchef sei rational, habe die Ukraine aber unterschätzt und fatale Fehler begangen.
Im Falle einer Eskalation würde Putin wohl eine taktische, eine «vergleichsweise kleine» Atomwaffe einsetzen. Damit könnte er bis zu 50'000 Menschen in einem einzigen Akt töten. «Putin hat keine Hemmungen, Menschen auch in sehr grosser Zahl umzubringen», so Harvard-Politologe Allison.
Politologe: Putin braucht guten Grund, um Ukraine-Krieg stoppen zu können
Sollte Russland im Ukraine-Krieg eine Atomwaffe einsetzen, kämen die USA nicht darum herum, «etwas sehr Dramatisches zu tun». Allison rechnet nicht mit einem nuklearen Gegenschlag, sondern mit Angriffen auf Abschussrampen. Dadurch würden aber wohl auch Russen von Amerikanern getötet werden.
Wegen dieses Szenarios stelle sich die Frage: «Sollen wir Putin vor die Wahl stellen, alles zu verlieren oder auch nur irgendetwas zu gewinnen?» Etwas, aus dem Putin für sich und Russland eine Geschichte spinnen könne, präzisiert Allison. Dies könne beispielsweise die Kontrolle des Donbass und die Errichtung einer Landbrücke zur Krim sein. Oder auch, dass die Ukraine für 15 Jahre kein Nato-Mitglied werde.
«Wir freilich werden wissen, dass Putin eine strategische Niederlage erfährt», so Allison im «Spiegel»-Interview. «Doch es ist auch wichtig, ihm einen guten Grund zu geben, den Krieg stoppen zu können.»