VW und Microsoft rücken enger zusammen
Der VW-Konzern ist in einem tiefgreifenden Umbruch. Das Thema Software ist ein Kernbereich, den man selbst kontrollieren möchte. Beim Wandlungsprozess setzt der Autobauer aber auch auf die Hilfe eines Softwaregiganten.
Das Wichtigste in Kürze
- Volkswagen setzt beim Konzernumbau in Richtung E-Mobilität und Digitalisierung auf eine noch engere Zusammenarbeit mit Microsoft.
Der Autobauer kooperiert schon mit dem US-Softwareriesen, um seine Autos in der «Volkswagen Automotive Cloud» voll zu vernetzen.
Künftig soll die langfristig angelegte Partnerschaft aber auch Nachhaltigkeit, digitale Bildung und Mitarbeiter-Engagement umfassen, erklärten die Unternehmen am Montag.
Microsoft wird dabei ein digitales Trainingsprogramm an der «Fakultät 73» von VW anbieten. Mit dem Namen der hauseigenen Software-Akademie beweist das Unternehmen überraschend viel Nerd-Humor: 73 ist die Lieblingszahl von Sheldon Lee Cooper aus der TV-Serie «The Big Bang Theory», quasi der «Chuck Norris unter den Zahlen» - auch weil 73 im Binärsystem vorwärts wie rückwärts geschrieben 1001001 lautet.
In der «Fakultät 73» geht es aber nicht um die einzigartigen Eigenschaften der Primzahl 73, über die Experten sich stundenlang begeistern können, sondern um den dringend benötigten Aufbau von neuem Fachwissen. Die ersten 100 Studierenden werden ab Frühjahr das Programm absolvieren können. Mitarbeiter von Microsoft und VW, aber auch Studenten und Vertreter von Start-ups sollen ausserdem bei einem «Thinkathon» Konzepte entwickeln, wie mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz der Ausstoss von Kohlendioxid reduziert werden kann.
Klimaschutz und Digitalisierung seien zentrale Themen für Wirtschaft und Gesellschaft, sagt Ralf Pfitzner, Leiter Nachhaltigkeit im VW-Konzern. Es sei «besonders wichtig, dass die Transformation auf breiter gesellschaftlicher Basis stattfindet und dass wir die Menschen mitnehmen». Sabine Bendiek, Geschäftsführerin von Microsoft Deutschland, erklärte, mit dem Projekt wolle man den Einsatz digitaler Technologien und Künstlicher Intelligenz zum Wohl von Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft fördern: «Im Mittelpunkt steht dabei die Unterstützung von Menschen jeder Altersgruppe bei der Herausbildung von Kompetenzen für eine digitalisierte Welt.»
Das klingt nach hehren Zielen und vollmundigen Ankündigungen - die für Volkswagen aber auch einen ganz konkreten Hintergrund haben: Der Konzern strebt an, die wichtigsten Teile der neuen Auto-Generation - Batterien und Software - selbst herstellen zu können. «Wir müssen hier nachhaltig Kompetenz aufbauen», sagte Vorstandschef Herbert Diess jüngst vor der Belegschaft in Wolfsburg. Und seinen Managern redete er in interner Runde mit Blick auf den US-Elektroauto-Rivalen Tesla und dessen vernetzte Fahrzeuge ins Gewissen: «Sind wir schon gut genug vorbereitet auf das, was da kommt?»
Ohne auch mehr eigene Experten geht es freilich nicht. Deswegen baut der grösste Autokonzern der Welt einen neuen Mitarbeiter-Pool rund um die Digitalisierung auf. Zum Jahresbeginn startete VW eine Software-Einheit, die alle Kompetenzen in der Fahrzeug-IT bündelt. Bis 2025 sollen hier über externe Übernahmen, Neueinstellungen und Fachleute aus den eigenen Marken mehr als 10.000 Experten arbeiten. In diesem Jahr will man 2500 Beschäftigte im Bereich einstellen.
Und Digitalvorstand Christian Senger sieht auch beim Kontakt zu den Kunden deutlich mehr Spielraum für selbstentwickelte IT-Systeme. Zusammen mit dem Stuttgarter Unternehmen Diconium, das Volkswagen übernehmen will, sollen die Konzernfahrzeuge mittelfristig eine Art E-Commerce-Schnittstelle und App-Store auf Rädern werden. Ziel ist ein «digitales Einkaufszentrum», das Informationen zwischen Fahrer, Hersteller und Händler vernetzt. Geplant sind Dienste zum Bezahlen beim Parken, Tanken und Aufladen oder Multimedia-Streaming - VW investiert nach dpa-Informationen eine dreistellige Millionensumme.
Neben digitaler Kommunikation bleiben persönliche Kontakte zwar wichtig. «Wir stellen fest, dass Automobilunternehmen ohne festen Vertrieb im Volumengeschäft in Schwierigkeiten kommen können», sagte Senger. Doch parallel seien Digitalplattformen für das Auto als «eine der letzten unerschlossenen Datendomänen» nötig. Steffen Hahn, Geschäftsführer einer grossen VW-Händlergruppe, meint: «Wir begrüssen es grundsätzlich, dass der Hersteller in Richtung Digitalisierung denkt. Allerdings kann und darf dabei der Handel nicht ersetzt werden.» Es gehe um die «Verknüpfung von Online und Offline».