Wahlkampf im Krisenland Ukraine endet mit «Tag der Stille»
Vorwürfe, Drogentests und ein brutales Rede-Duell: Der dramatische Wahlkampf um das Präsidentenamt in der Ukraine bot einiges. Wenige Stunden vor der Entscheidung soll eigentlich Ruhe einkehren. Ganz auf Wahlwerbung verzichten wollen beide Lager dabei nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Der extrem hitzige Wahlkampf um das Präsidentenamt in der krisengebeutelten Ukraine ist mit einem «Tag der Stille» zu Ende gegangen.
Unmittelbar vor der Abstimmung in der nach Westen strebenden Ex-Sowjetrepublik war Wahlwerbung für den Amtsinhaber Petro Poroschenko und seinen Herausforderer, den Komiker Wolodymyr Selenskyj, per Gesetz verboten. Dennoch liessen beide Kandidaten Plakate in den Farben ihrer Kampagne ohne Namensnennung aufhängen, wie Wahlbeobachter in zahlreichen ukrainischen Städten am Samstag feststellten. Die Wahlkommission hatte für diesen Tag auch Wahlkampfauftritte und die Veröffentlichung neuer Umfragen untersagt.
Am Ostersonntag können rund 30 Millionen Ukrainer in einer Stichwahl über das Staatsoberhaupt für die nächsten fünf Jahre entscheiden. Zuvor veröffentlichte Umfragen deuten auf einen haushohen Sieg des Polit-Neulings Selenskyj mit rund 70 Prozent der Stimmen hin. Amtsinhaber Poroschenko muss hingegen mit einer herben Niederlage rechnen. Beide Kandidaten stehen für einen prowestlichen Kurs in Richtung EU und Nato.
Auch die Familie von Poroschenkos Herausforderer geriet in den Fokus: Unmittelbar vor der Wahl wurde Selenskyjs Ehefrau wegen eines angeblich von ihr stammenden Facebookeintrags auf die Staatsfeindliste der regierungsnahen Website Myrotworez (Friedensstifter) gesetzt. Sie soll einen Beitrag einer russischen Nachrichtenseite geteilt haben, die Geld für Videos über Bewegungen der ukrainischen Armee bot. Auf der Liste mit Hunderten Einträgen befindet sich auch der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Mindestens zwei Menschen auf der Liste wurden später ermordet.
Der Wahlkampf war bereits nach dem ersten Wahlgang vor drei Wochen in eine Schlammschlacht ausgeartet. Beide Kontrahenten überhäuften sich mit Sticheleien. Der Amtsinhaber bezeichnete seinen Herausforderer als Kandidat Russlands und Marionette eines einflussreichen Oligarchen. Nach Drogenvorwürfen unterzogen sich sowohl Poroschenko als auch Selenskyj medienwirksam Blut- und Urintests.
Am Freitag, dem letzten offiziellen Wahlkampftag, war es zwischen den beiden Kontrahenten schliesslich zu einem ungewöhnlichen Showdown im Kiewer Olympia-Stadion gekommen. Vor Zehntausenden Menschen lieferten sich beide auf einer Tribüne ein dramatisches Rede-Duell und überhäuften sich gegenseitig mit scharfen Angriffen und Vorwürfen. Kommentatoren werteten die Debatte als Tiefpunkt des Wahlkampfes.
Poroschenko war vor fünf Jahren mit dem Versprechen ins Amt gewählt worden, den Konflikt in der Ostukraine schnell zu beenden. In den Auseinandersetzungen zwischen Regierungssoldaten und prorussischen Separatisten in den Gebieten Donezk und Luhansk sind nach UN-Angaben seit 2014 mehr als 13.000 Menschen getötet worden. Die Gefechte halten an. In den Separatistengebieten wird nicht gewählt.