Was der Brexit für Naschkatzen bedeutet

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Deutschland,

Winegums, Shortbread, Pralinen aus der achteckigen Metallbox: Noch liegen britische Süssigkeiten wie selbstverständlich neben deutschen Gummibären in den Regalen. Doch was passiert auf dem deutschen Süsswarenmarkt nach einem Brexit?

Winegums, Shortbread und Pralinen aus Grossbritannien haben in Deutschland einige Abnehmer. Doch der Import der Süsswaren dürfte nach dem Brexit schwieriger werden? Foto: Christoph Soeder
Winegums, Shortbread und Pralinen aus Grossbritannien haben in Deutschland einige Abnehmer. Doch der Import der Süsswaren dürfte nach dem Brexit schwieriger werden? Foto: Christoph Soeder - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Aus Sorge um einen Brexit stehen auf einem Hof im ostwestfälischen Lübbecke neuerdings vier Container.

Schön sind sie nicht. Deshalb genehmige die Stadt solche Stahlbauten im Aussenbereich eigentlich auch nicht gern, sagt Stefan Heinrich, dem der Hof gehört.

«Aber ich hatte ein gutes Argument: den Brexit.» Heinrich betreibt den Onlineshop greatbritishfood.de, bei dem deutsche Kunden unter anderem britische Süssigkeiten kaufen. Sollte Grossbritannien aus der EU austreten, ist unklar, wie schnell und zu welchen Preisen er noch Produkte von der Insel bekommt.

Der süsse Brexit-Puffer

Deshalb hat er sich einen Brexit-Puffer angelegt, mit britischem Shortbread, Chips mit Salz und Essig, Winegums und vielem anderen. Und in seinen neuen Containern liegt jetzt alles, was dem Shortbread im Lager den Platz weggenommen hätte.

Grossbritannien will aus der EU austreten, kann sich mit der EU aber nicht auf die Bedingungen einigen. Am Mittwoch (13. März) stimmte das britische Unterhaus gegen einen Brexit ohne Vertrag und am Donnerstag für eine Verschiebung. Stimmt Brüssel zu, wäre das gefürchtete Szenario eines harten Bruchs ohne Deal zumindest für Ende März abgewendet. Trotzdem bleiben viele Fragezeichen.

Wie könnte sich ein Brexit - ob mit oder ohne Deal - auf den deutschen Markt für Süsswaren auswirken? Auf der Pressekonferenz des Bundesverbands der Deutschen Süsswarenindustrie (BDSI) in Berlin war der drohende Austritt Grossbritanniens aus der EU nun eines der Hauptthemen. «Grossbritannien ist nach Frankreich der zweitgrösste Exportmarkt für die deutsche Süsswarenindustrie», sagt der BDSI-Vorsitzende Stephan Niessner. Denn viel mehr Süssigkeiten als die Deutschen aus Grossbritannien importieren, exportieren sie auf die Insel, wie der Verband klarstellt.

Schokolaster im Stau?

Wegen der ungewissen Lage nach einem Brexit dürften die Schokoladen-Lkw aus Deutschland allerdings so lange am Zoll im Stau stehen, dass die Ware nicht rechtzeitig in die britischen Supermärkte kommt. Ausserdem könnte es sein, dass neue Verpackungen nötig werden, etwa weil ein Aufdruck «Made in EU» Pflicht wird. Aber wie so oft bei diesem Thema heisst es: Sicher ist nichts. «Ja nun, alles sehr schwierig», sagt Niessner. «Am besten, die lassen das mit dem Brexit, das wäre die einfachste Lösung.»

Aber wenn sie es nun doch nicht lassen, was passiert dann mit den deutschen Waren, die am Zoll im Stau stehen? Kommen sie zurück auf den deutschen Markt? Schokoschwemme in deutschen Supermärkten? Daran glaubt Niessner nicht: «Der deutsche Markt ist gesättigt.» Auch die Regale in den Supermärkten seien nicht beliebig erweiterbar. Man müsse dann eben im Zweifel weniger produzieren.

Aktuell exportieren die Süsswarenhersteller hierzulande Produkte im Wert von 800 Millionen Euro nach Grossbritannien. Das sind laut BDSI-Sprecherin Solveig Schneider rund 6 Prozent der deutschen Süsswarenproduktion. «Etwa 3000 Beschäftigte kümmern sich im Grunde um den Export nach Grossbritannien», sagt Schneider. Diese Jobs wären in Gefahr.

Die Sache mit dem Zuckerpreis

Dazu kommt das Problem mit dem Weltmarktzucker: Sollte es tatsächlich zu einem Brexit ohne Deal kommen, könnten britische Süssigkeiten zu Kampfpreisen auf den deutschen Markt schwemmen. Warum? Britische Produzenten könnten sich nach einem Austritt günstigen Zucker auf dem Weltmarkt besorgen, viel günstiger als Produzenten in der EU. «Dann könnten die Briten viel günstigere Süsswaren in der EU verkaufen als bisher», sagt BDSI-Hauptgeschäftsführer Klaus Reingen.

Das sind viele Konjunktive. Auch die deutschen Hersteller und Händler äussern sich nur sehr zurückhaltend. Eine Haribo-Sprecherin etwa bittet um Verständnis, dass man sich grundsätzlich nicht zu Zahlen äussere: «Haribo wird die weiteren Entwicklungen zum Thema Brexit abwarten.» Kai Falk, Geschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), warnt vor Panikmache: «Die Auswirkungen auf Süsswaren halten sich in Grenzen.» Auch Rewe hält den Ball flach. Die Handelskette hat etwa Schokoprodukte der britischen Marke Cadbury im Sortiment - und betont: «Bisher sind keinerlei Engpässe absehbar.»

Echt britisch aus Deutschland, Polen und Co.

Nicht nur wegen der vier Container in Ostwestfalen dürfte zunächst kein spürbarer Engpass an britischen Süsswaren drohen. Viele bekannte britische Produkte werden längst nicht mehr in Grossbritannien produziert, sondern in anderen EU-Ländern. Onlineshop-Betreiber Heinrich schätzt, dass etwa die Hälfte der typisch britischen Süssigkeiten in seinem Sortiment unter anderem in den Niederlanden, Polen, Deutschland, Spanien oder Irland produziert werden. Und auch der Handel mit Süsswarenproduzenten in Grossbritannien werde nach einem Brexit nicht zum Erliegen kommen: «Dies- und jenseits des Ärmelkanals gibt es Firmen, die weiterhin mit der jeweils anderen Seite Handel treiben wollen.»

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