Das Ende des Internets in seiner heutigen Form - davor warnen Kritiker der EU-Urheberrechtsreform. Warum ist das Vorhaben so umstritten?
Internet-Firmen wie Google, YouTube und Facebook müssen zukünftig darauf achten, dass geschützte Werke lizenziert werden, bevor sie auf den Plattformen landen - oder ssie dürfen nicht hochgeladen werden. Foto: Lukas Schulze
Internet-Firmen wie Google, YouTube und Facebook müssen zukünftig darauf achten, dass geschützte Werke lizenziert werden, bevor sie auf den Plattformen landen - oder ssie dürfen nicht hochgeladen werden. Foto: Lukas Schulze - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die EU bekommt ein neues Urheberrecht.
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Monatelang wurde heftig darum gestritten - bis sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments nun vorläufig auf eine Reform einigten, inklusive Leistungsschutzrecht für Presseverleger.

Was bedeutet diese Einigung, die fast jeden Internetnutzer betrifft? Und warum ist sie so umstritten? Fragen und Antworten im Überblick:

Warum ist das Thema so brisant?

Im Zentrum der Diskussion standen vor allem zwei Dinge: das Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Artikel 11 und die Einführung sogenannter Upload-Filter in Artikel 13 der Reform.

Es ging nach Einschätzung der Kritiker um nichts weniger als die Zukunft des Internets in seiner heutigen Form. Die Einigung berge die Gefahr, «das Internet, wie wir es kennen, ausschliesslich in die Hände der Technologie- und Medienriesen zu legen», sagte die Piraten-Europapolitikerin Julia Reda. Rund fünf Millionen Menschen unterschrieben eine Petition, die sich gegen Teile der Reform richtet. Von allen Seiten wurde versucht, Einfluss auf das Vorhaben zu nehmen. , aber auch Wikipedia und Digitalverbände stemmten sich dagegen, Presseverlage, Medienunternehmen und Start-ups sprachen sich vehement dafür aus.

Was soll die Reform überhaupt bringen?

Als die EU-Kommission 2016 den für neue Regeln machte, wollte sie das Urheberrecht ans digitale Zeitalter anpassen. «Ich möchte, dass Journalisten, Verleger und sonstige Urheber eine faire Vergütung für ihre Arbeit erhalten», sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Denn Zeitungsverlage, Autoren, Plattenfirmen und andere Rechte-Inhaber erstellen unter teils grossem Aufwand Inhalte, die online verbreitet werden - verdienen daran mitunter aber wenig.

Wie sieht die Einigung nun aus?

Zum einen sollen Zeitungsverlage und Autoren mehr für ihre Inhalte bekommen. Suchmaschinen wie Google dürfen nicht mehr ohne weiteres kleine Artikel-Ausschnitte in ihren Suchergebnissen oder bei Google News anzeigen. Vielmehr sollen sie die Verlage um Erlaubnis bitten und gegebenenfalls dafür zahlen.

Zum anderen werden Plattformen wie YouTube nach Artikel 13 stärker in die Pflicht genommen. Geschützte Werke müssen lizenziert werden, bevor sie auf den Plattformen landen - oder dürfen nicht hochgeladen werden. Ausgenommen sind Firmen, die drei Kriterien erfüllen: sie müssen jünger als drei Jahre sein, dürfen einen Jahresumsatz von maximal zehn Millionen Euro und weniger als fünf Millionen Nutzer im Monat haben. In der Realität betrifft das nur wenige Plattformen. Das Parlament hatte eigentlich Ausnahmen für alle Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 20 Millionen Euro gefordert. Das soll vor allem Start-ups und und junge Firmen schützen.

Was sagen die Kritiker?

Sie warnen, Plattformen müssten wegen Artikel 13 Uploadfilter einsetzen. Diese sind zwar nicht explizit in der Reform erwähnt. Allerdings müssen die Unternehmen alles ihnen Mögliche tun, um Urheberrechtsverstösse zu verhindern. aus fast allen Parteien befürchten, dass die Filter auch legale Inhalte wie Parodien oder Zitate blockieren - und so die freie Meinungsäusserung einschränken. «Wenn das Parlament nun auch grünes Licht erteilt, werden die Zensurmaschinen im Internet bald Realität», sagte etwa die Linke Europaabgeordnete Martina Michels.

Gegner des Leistungsschutzrechts sehen Nachteile für Verlage. Diese seien darauf angewiesen, von Suchmaschinen gelistet zu werden, und hätten daher eine schwache Verhandlungsposition gegenüber Google & Co. Zudem verweisen sie auf Deutschland: Hier gibt es schon seit 2013 ein Leistungsschutzrecht - doch es führt nicht zu nennenswerten Geldzahlungen an die Verlage. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger begrüssten die Einigung dennoch als «grosse Chance für unabhängigen Journalismus in der digitalen Ära».

Ist damit das letzte Wort gesprochen?

Nicht ganz. Die Einigung muss noch vom Parlament und den EU-Staaten bestätigt werden. Normalerweise ist das reine Formsache. Die Copyright-Reform erhitzt die Gemüter aber besonders - vor allem im Parlament ist mit Widerstand zu rechnen. Denn das wollte bei Artikel 13 eine grosszügigere Ausnahme. Wenn das Plenum sich dagegen stellt, scheitert die Reform doch noch. Gegner des Vorhabens haben schon angekündigt, am 23. März in ganz Deutschland gegen das Vorhaben auf die Strasse zu gehen. Google will die Richtlinie nach eigenen Angaben nun eingehend im Detail analysieren und dann über die nächsten Schritte entscheiden. Das werde aber «einige Zeit dauern».

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