Was Virus-Mutationen für die Corona-Pandemie bedeuten

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Deutschland,

Sie haben kryptische Bezeichnungen und dürften die Eindämmung der Pandemie erschweren: Corona-Mutationen bereiten der Politik derzeit trotz sinkender Fallzahlen Sorgen. Worauf sollte man sich einstellen?

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Ein Analysegerät zur Erkennung von Mutationen des Coronavirus. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Lange wurde in Deutschland kaum danach gesucht.

Doch seit einigen Wochen registrieren Labore immer häufiger Varianten des Corona-Erregers. Ein Überblick:

Was sind Mutationen?

Bei RNA-Viren verändert sich das Erbgut ständig. «In einem Tröpfchen Spucke eines akut Infizierten findet man vermutlich Tausende Virus-Mutanten, die sich an einer oder mehreren Stellen im Genom voneinander unterscheiden», sagt der Virologe Ralf Bartenschlager vom Uniklinikum Heidelberg. «Sie entstehen jede Sekunde, in jedem Patienten.» Längst nicht alle Mutationen sind Grund zur Beunruhigung.

Die allermeisten haben keinen Effekt oder sind von Nachteil für das Virus. Einige helfen aber auch. So ist das ursprüngliche Coronavirus, das in Wuhan auftrat, bereits Anfang 2020 von einer Variante verdrängt worden, wie Bartenschlager sagt. In einer Art Wettlauf unter Varianten setzen sich jene durch, die dem Virus einen Vorteil verschaffen: Das kann eine beschleunigte Verbreitung sein oder die Fähigkeit, Antikörpern des Wirts zu entgehen.

«Es liegt in der Natur von Viren, dass sie sich immer besser an den Wirt anpassen», sagte der Frankfurter Virologe Martin Stürmer einmal im «Deutschlandfunk». Er verglich den Effekt mit einem Schlüssel (beim Virus), der sich immer reibungsloser im Schloss (menschlichen Zellen) drehen lässt.

Die Bezeichnungen aus Buchstaben und Zahlen, wie B.1.1.7 für die zunächst in Grossbritannien entdeckte Mutante, erlaubt es Fachleuten, die Verwandtschaftsverhältnisse in einer Art Corona-Stammbaum nachzuvollziehen. Auch wenn manchmal von «der britischen Variante» die Rede ist: Die genaue Herkunft ist ungeklärt. Die Variante wurde dort dank der guten Überwachung gefunden.

Warum sind Varianten derzeit so gefürchtet?

In mehreren Ländern fiel teils durch Zufall auf, dass neue Varianten im Spiel sind - einhergehend mit massiven Anstiegen der Fallzahlen und überlasteten Gesundheitssystemen, teils trotz Corona-Massnahmen. «Alle drei Varianten, die man derzeit im Auge hat, scheinen besser übertragbar zu sein», sagt Bartenschlager. «Darauf, dass die Varianten gefährlicher sind - im Sinne von krankmachender oder tödlicher - gibt es im Moment keine tragfähigen Hinweise.»

Da der Grossteil der Menschen noch nicht mit Sars-CoV-2 infiziert war, gilt die grösste Sorge derzeit der höheren Ansteckungsfähigkeit. «Ein Virus, das einer bestehenden Immunantwort entkommt, hat derzeit global gesehen keinen Vorteil, weil die meisten Menschen noch keine Immunität haben», erläutert Bartenschlager.

Um welche Varianten geht es?

Die erste Probe, in der die Variante nachgewiesen wurde, stammt aus dem September. In ersten Schätzungen hiess es, sie verursache 50 bis 70 Prozent mehr Infektionen im Vergleich zu früheren Formen. Mittlerweile sei anhand einer robusteren Datenbasis davon auszugehen, dass der Zuwachs eher bei circa 22 bis 35 Prozent liege, sagte der Charité-Virologe Christian Drosten kürzlich. Experten sind sich allerdings einig: Auch dieser geringere Prozentsatz kann die Eindämmung der Pandemie massiv erschweren.

Kürzlich hatte der britische Premierminister Boris Johnson auch von einer erhöhten Sterblichkeit gesprochen. Die Datenlage wird von vielen Fachleuten aber als zu dünn erachtet. Auch bei gleicher Schwere dürfte jedoch eine starke Ausbreitung der ansteckenderen Variante zu mehr Intensivpatienten und Todesfällen führen, weil eben mehr Menschen infiziert werden.

Das Robert Koch-Institut (RKI) schreibt im Internet über die Variante: «Hinweise auf eine verringerte Wirksamkeit der Impfstoffe gibt es bislang nicht.» Bartenschlager versichert: «Wer eine Corona-Infektion durchgemacht hat oder geimpft ist, hat nach aktueller Datenlage eine Immunantwort, die in der Lage ist, die britische Variante zu kontrollieren und zu neutralisieren.» Auch um die Verlässlichkeit der Tests mache er sich derzeit keine Sorgen.

Diese Variante wurde im Dezember entdeckt. Vermutet wird, dass sie entstand, weil ein hoher Anteil der Bevölkerung schon eine Corona-Infektion durchgemacht hatte. Drosten erklärte im NDR-Podcast einmal die Infektionslage in Townships, wo Menschen in Armut eng zusammenleben und ein hoher Anteil von ihnen bereits Antikörper aufweist: «Das ist langsam eine Herdenimmunität. Das ist etwas, wo das Virus gegen Antikörper kämpfen muss, wenn es wieder neue Leute infizieren will, wenn es eine Zweitinfektion setzen will, beispielsweise. Gegen diesen Immundruck würde sich so ein Virus möglicherweise mit so einer Mutation verteidigen.» Fachleute sprechen von Escape-Mutation (Fluchtmutation).

«Erste Daten weisen in die Richtung, dass Genesene Antikörper haben, die nicht mehr gegen die Südafrika-Variante funktionieren», fasst Bartenschlager zusammen. Der Körper könne sich aber vermutlich immer noch zur Wehr setzen: «Antikörper sind nicht alles, es gibt auch noch eine zelluläre Immunität.» Dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Virologie zufolge könnte diese Immunantwort eine zweite Infektion abschwächen, so dass diese milder verläuft. Bisher sehe es so aus, dass die Immunantwort nach einer Impfung besser ausfalle als nach einer natürlichen Infektion. «Selbst eine Escape-Variante würde in diesem Fall nach der Impfung von der Immunantwort noch halbwegs kontrolliert.»

Das bedeutet, dass die neuen Waffen wohl nicht auf einen Schlag stumpf werden. Und man kann nachschärfen: Der Hersteller Moderna hat angekündigt, einen Auffrischungsimpfstoff gegen B.1.351 zu entwickeln. Auch Pfizer und Biontech halten Anpassungen für möglich, sollte es in Zukunft nötig werden.

: Über diese Variante existieren relativ wenige Daten. Sie ähnelt laut RKI der südafrikanischen. Dass sie besser übertragbar ist, werde «als denkbar erachtet». Der Intensivmediziner Uwe Janssens sprach in Interviews von grossen Sorgen wegen der Variante, weil sich Genesene offenbar erneut ansteckten.

Brasilien gehört zu den am stärksten von der Pandemie betroffenen Ländern. Für die Metropole Manaus ergab eine Studie, dass sich mehr als 70 Prozent der Bevölkerung bis Oktober 2020 infiziert hatten. Seit Mitte Dezember wird dort wieder eine steigende Zahl von Fällen und Krankenhausaufnahmen beobachtet, das Gesundheitssystem ist kollabiert.

Wie verbreitet sind die Varianten in Deutschland?

Die gezielte Suche danach ist erst kürzlich verstärkt worden, belastbare Zahlen liegen noch nicht vor. Bis Donnerstagabend waren dem RKI 120 Nachweise von B.1.1.7 und 27 von B.1.351 gemeldet, es gibt erste Ausbrüche. Betroffen sind nicht mehr nur Reiserückkehrer: Ein Berliner Krankenhaus etwa stand unter Quarantäne. Hinzu kamen Verdachtsfälle etwa im Klinikum Bayreuth und in einem Freiburger Kindergarten.

Da in solchen Fällen gezielt Kontaktpersonen von Infizierten getestet werden, verraten Treffer wenig über die Verbreitung in der gesamten Bevölkerung. Zwar können Mutanten-Ausbrüche mehr Fälle auf einen Schlag bedeuten: Aber schon mit dem alten Virus hat es tausendfach Ausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen gegeben.

Wie geht es weiter?

Die Varianten wurden, so vermuten Wissenschaftler, vor allem an Weihnachten eingeschleppt. Massnahmen wie der Lockdown dürften sie erst einmal im Zaun halten. Aber was ist, wenn die Politik lockert? Gefordert wird, die Corona-Fallzahlen weiter deutlich zu senken, damit Gesundheitsämter wieder penibel Kontakte nachverfolgen können.

«Was wir ganz strikt im Auge haben müssen, sind Einschleppungen von aussen, zum Beispiel über Reisen», so Bartenschlager. Herdenimmunität durch konsequente Impfungen blieben trotz der Varianten das entscheidende Mittel, um der Pandemie entgegenzutreten. «Wie weit wir damit kommen - ob wir eine vollständige Kontrolle im Sinne einer Vermeidung von Infektionen erreichen - kann man im Moment nicht abschliessend sagen.»

Klar ist: Die drei nun vielbeachteten Varianten sind nicht das Ende. «Wir werden auch nächstes Jahr um diese Zeit uns Sorgen machen um bestimmte Virus-Mutanten, die wieder an anderen Stellen Veränderungen haben», prognostizierte Drosten.

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