Wer mit den westlichen Werten nicht einverstanden ist, soll einfacher nach Russland ziehen können. Experten ordnen diesen Erlass von Wladimir Putin ein.
Wladimir Putin
Wladimir Putin will es Personen aus dem Westen einfacher machen, ihr Leben nach Russland zu verlegen. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Mit einem neuen Erlass vereinfacht Putin Westlern den Umzug nach Russland.
  • Laut Experten steht die Ideologie im Vordergrund – grosse Folgen sind nicht zu erwarten.
  • Russland könnte sich so aber als Hüter der traditionellen Werte Europas in Szene setzen.
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Spätestens seit der Eskalation im Ukraine-Krieg herrscht zwischen Russland und dem Westen Eiszeit. Die Beziehungen leiden stark unter den aktuellen Geschehnissen.

Umso interessanter scheint deshalb ein Erlass, den Kremlchef Wladimir Putin kürzlich unterzeichnet hat. Und zwar will er damit gezielt Leute aus dem Westen in die Föderation locken. Die Auflagen, um eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, sollen deutlich niedriger werden.

Warst du schon einmal in Russland?

Konkret richtet sich das Angebot an Personen, die mit der «zerstörerischen, neoliberalen, ideologischen Agenda» des Westens nicht einverstanden sind. In Russland können sie künftig «humanitäre Unterstützung» beantragen. Sprich: Wer eher die traditionellen russischen Werte als diejenigen des Westens teilt, ist in Russland willkommen.

Wladimir Putin setzt «ideologische Kampagne» fort

Was steckt hinter Putins Lockruf? Russland-Experten ordnen den Erlass gegenüber Nau.ch ein.

Alexander Libman von der Freien Universität Berlin würde «den Erlass als reinen PR-Gag interpretieren». Es gebe einzelne Personen, die «aus ideologischen Gründen» nach Russland ziehen wollen. Libman nennt den US-Whistleblower Edward Snowden als bekanntes Beispiel.

Allerdings handle es sich eher um Einzelfälle, für die kein Erlass notwendig wäre. Libman sagt: «Eine Zielgruppe, die damit angesprochen wird, gibt es glaube ich nicht wirklich. Positive oder negative Folgen von dem Erlass erwarte ich ebenso nicht, das wird kaum von Bedeutung sein.»

Edward Snowden
Edward Snowden ist eine der bekanntesten Personen, die aus ideologischen Gründen nach Russland gezogen sind.
Wladimir Putin
Nun sollen laut Präsident Wladimir Putin noch mehr Leute aus dem Westen einwandern.
Moskau
Es soll einfacher werden, eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten.
Russland
Man muss beispielsweise der russischen Sprache nicht mehr mächtig sein.
Wladimir Putin
Experten sprechen von einem «PR-Gag» und einer «ideologischen Kampagne» seitens des Kremls.

Ähnlich sieht es Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen. «Diese Massnahme ist nur der vorläufige Höhepunkt einer ideologischen Kampagne, die der Kreml bereits seit Jahren befeuert.» Russland werde dabei als Hüterin der wahren europäischen Tradition mit ihren konservativen Werten dargestellt.

Es gehe Wladimir Putin mehr um die Signalwirkung, so der Experte. «Der Kreml erwartet selbst nicht, dass jetzt viele Ausländer nach Russland umziehen. Aber man will zeigen, dass Russland ein attraktiver Ort ist für Menschen, die mit den westlichen Werten nicht einverstanden sind.»

Situation in Russland für Ausländer gefährlich

Letztlich sei der neue Erlass nur eine Änderung einer bestehenden Regel. Nun muss man nicht mal mehr russische Sprachkenntnisse vorweisen, wenn man nach Russland ziehen will.

Bleibt die Frage, weshalb der Erlass gerade jetzt kommt. Laut Libman ist der Zeitpunkt «ziemlich zufällig». Die Massnahme gehe wahrscheinlich auf einen Beamten zurück, der die Aufmerksamkeit von Wladimir Putin erlangen wollte. «Es hätte auch früher oder später kommen können», sagt der Experte.

Wladimir Putin Wadim Krassikow
Wladimir Putin konnte dank eines Gefangenenaustauschs Wadim Krassikow wieder in Russland empfangen. - keystone

Interessant ist der Erlass auch mit Blick auf den Häftlingsaustausch, der kürzlich stattgefunden hatte. Dieser zeige, dass es für Ausländer gefährlich sei, sich in Russland aufzuhalten, sagt Schmid. «Wegen Bagatellen kann man mehrjährige Haftstrafen bekommen. Russland vergrössert so seinen Pool für zukünftige Häftlingsaustauschaktionen.»

Vor rund einem Monat tauschten der Westen und Russland mehrere Gefangene aus. Dabei kam unter anderem der russische «Tiergartenmörder» Wadim K. frei. Im Gegenzug liess Russland beispielsweise den bekannten Kreml-Kritiker Wladimir Kara-Mursa ziehen.

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