Experte: Wladimir Putin führt Donald Trump gewissermassen «vor»
Beim zweistündigen Telefonat einigten sich Wladimir Putin & Donald Trump auf eine Feuerpause auf Energieanlagen. Experten ordnen das Ergebnis des Gesprächs ein.

Das Wichtigste in Kürze
- Beim Gespräch mit Donald Trump stimmt Wladimir Putin nur einer begrenzten Waffenruhe zu.
- Experten sind sich einig, dass das Ergebnis für die US-Seite enttäuschend ist.
- Es sei einmal mehr deutlich geworden, dass Putin nicht an einem Frieden interessiert sei.
Die Erwartungen an das Telefongespräch zwischen Wladimir Putin und Donald Trump zum Ukraine-Krieg waren riesig. Besonders der US-Präsident hatte sich eine sofortige Waffenruhe für 30 Tage erhofft.
Doch geeinigt haben sich die beiden Staatschefs lediglich auf eine Feuerpause auf Energieanlagen. Nau.ch hat bei Experten nachgefragt, wie sie das Ergebnis des rund zweistündigen Telefongesprächs einschätzen.
«Enttäuschendes Ergebnis» für Trump
«Wladimir Putin hat Trump vor dem Anruf warten lassen und damit signalisiert, wer etwas von wem will.» Das sagt Russland-Experte Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen.
Trump hätte bereits vor dem Gespräch wichtige Trümpfe aus der Hand gegeben. Der US-Präsident habe den Kreml wissen lassen, dass die Ukraine auf eigene Gebiete verzichten müsse. Und dass ein Nato-Beitritt nicht infrage komme.

«Für Trump ist das Ergebnis enttäuschend. Er wollte sich als grosser Friedensstifter inszenieren und steht nun praktisch mit leeren Händen da», lautet Schmids Fazit.
Ähnlich sieht es Politologin und USA-Expertin Sarah Wagner von der Atlantischen Akademie Rheinland Pfalz: «Das Weisse Haus dürfte nicht ganz zufrieden mit dem Ergebnis des Gesprächs sein. Auch wenn man es der Öffentlichkeit anders darstellt.»
Trump hätte in den Tagen vor dem Gespräch hohe Erwartungen geschürt an einen umfassenderen Waffenstillstand. «Solch einen Waffenstillstand wird es nicht geben.»
Russland sei den USA nicht entgegengekommen. Stattdessen habe man die russische Sichtweise übernommen und unterstützt.
Wladimir Putin lasse sich nicht zu einem Waffenstillstand drängen, sondern stelle weitreichende Forderungen. «Die Bilanz ist aus Sicht der USA und der Ukraine eher mager», lautet Wagners Bilanz.
Wladimir Putin kann Trump «hinhalten»
Noch deutlichere Worte findet Osteuropa-Experte Nicolas Hayoz von der Universität Freiburg. Trump habe es wieder nicht geschafft, den gross angekündigten «Deal» zustande zu bringen.
«Wladimir Putin führt Donald Trump gewissermassen ‹vor›. Er kann ihn hinhalten.» Trump müsse jetzt mit Sanktionen beziehungsweise mit der Weiterführung der Waffenlieferungen drohen.
Wladimir Putin sei an einer Waffenruhe nur zu seinen «maximalistischen» Bedingungen bereit, die eine Kapitulation der Ukraine bedeuten würden.
«Die Ukraine wird Putins Bedingungen nie annehmen. Putin ist auf alle Fälle an einer Weiterführung des Krieges interessiert. Seine ganze Wirtschaft dient ja auch diesem Zweck», erklärt Hayoz.
Laut Schmid hat Putin bisher keine Signale ausgesendet, dass er von seinen Forderungen abrücke. Diese habe er am 14. Juni letzten Jahres formuliert und sie würden im Wesentlichen auf eine ukrainische Kapitulation herauslaufen.
Auch Wagner ist überzeugt, dass das Gespräch für Putin erfolgreich verlief. «Er kann auf Zeit spielen und liess sich zu keinen weitreichenden Zugeständnissen bewegen.»
Trump scheint nicht an nachhaltigem Frieden interessiert zu sein
«Die Fokussierung der Waffenruhe auf die Energieanlagen ist Putins Gegenzug zu Selenskyjs Timing der Waffenruhe», erklärt Schmid. Selenskyj sei es daran gelegen, seine Truppen geordnet sowie ohne Mannschafts- und Materialverluste aus der russischen Region Kursk zurückzuziehen.
«Putin will darauf nicht eingehen, weil der ukrainische Vorstoss auf russisches Gebiet seine persönliche Autorität nachhaltig beschädigt hat. Er nannte die ukrainischen Soldaten auf russischem Gebiet ‹Terroristen›.»
USA-Expertin Wagner und Osteuropa-Experte Hayoz zweifeln, ob sich Russland überhaupt an die Nicht-Angriffs-Einigung bei Energieanlagen halten wird.
Trotz der Ankündigung weiterer Gespräche zweifelt Sarah Wagner zudem daran, dass Trump wirklich einen Frieden erlangen möchte. «An einem nachhaltigen Frieden, der eben auch die Position und Forderungen der Ukraine berücksichtigt, scheint Trump weniger interessiert zu sein.»

Das sei schon daran erkennbar, dass über die Zukunft der Ukraine in erster Linie bilateral diskutiert werde: Zwischen den USA und Russland.
Auch russische Äusserungen nach dem Gespräch würden den Eindruck unterstreichen, dass es eher um eine Klärung der Einflusssphären gehe.
Wladimir Putin und Donald Trump wollen Beziehungen «normalisieren»
«Im Vergleich zu den USA ist Russland in einer besseren Verhandlungsposition. Hier hat man mehr Zeit, man ist erfahrener und sitzt am längeren Hebel.»
Zudem würden die USA weniger als wirklicher Vermittler wirken. Sondern würden bisher einen grundsätzlichen Willen zeigen, viele russische Positionen von vorneherein zu übernehmen.
«Die USA erhoffen sich, die Beziehungen zu Russland wieder zu normalisieren. Und der russische Krieg gegen die Ukraine steht dem noch im Weg», erläutert Wagner.
Priorität der Trump-Regierung sei ein Ende der Kriegshandlungen. «Die Konditionen und wie diese genau aussehen, scheinen hier eine untergeordnete Rolle zu spielen.»
Im Anschluss an das Putin-Gespräch habe Trump davon gesprochen, gerne wieder freundliche Beziehungen mit Russland zu haben. «Hier spielen auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle.» Zudem habe er im Wahlkampf versprochen, den Krieg schnell zu beenden und er verkaufe sich gerne als «Dealmaker».
«Im Moment scheint Putin auch darauf hinzuarbeiten, dass Russland auf der internationalen Bühne wieder salonfähig wird», erklärt Schmid. «Gerade auch im prestigeträchtigen Sportbereich.»
Die lancierte Idee eines möglichen gemeinsamen Eishockeyspieles sendet gemäss Wagner ein Signal: «Dass eine Normalisierung der USA-Russland-Beziehungen und ein Ende der russischen Isolation in der internationalen Arena ein Stückchen näher gerückt sind.»
Was bedeutet das Ergebnis der Gespräche für die Ukraine?
Und die Ukraine? «Das Ergebnis kann als Erfolg für die Ukraine gewertet werden», glaubt Schmid. Denn: «Es ist einmal mehr deutlich geworden, dass Wladimir Putin nicht an einem Frieden interessiert ist. Damit kann auch das russische Propagandanarrativ entkräftet werden, die Ukraine weigere sich, Friedensverhandlungen zu führen.»
Doch Hayoz warnt: «Falls Trump wieder nicht reagiert oder sogar noch weiter Putin entgegenkommt, bedeutet das nichts Gutes für die Ukraine. Falls die US-Militärhilfe gestoppt wird, dann werden die Europäer sich aufraffen müssen, um die amerikanische ‹Lücke› zu füllen.»

Das Telefonat zeige einmal mehr: «Wie sehr sich Putin, aber auch Trump völlig ‹foutieren› über die Interessen der Ukraine und der Europäer.» Es werde sich aber zeigen, dass Trumps Strategie eine riesige «Mogelpackung» sei.
«Seine ganze ‹Philosophie des Deals› wird hier doch ad absurdum geführt. Putin kann endlos verhandeln, Zeit gewinnen und den Krieg weiterführen.»