Länder gehen beim Klimapaket auf Konfrontationskurs
Monatelang haben Union und SPD um das Klimapaket gerungen. Der Bundestag hat die grossen Gesetzesbrocken dazu schon verabschiedet. Aber am Freitag dürften die Länder erst mal den Daumen senken. Die Bedenken sind vielfältig - auch da, wo die Grünen nicht mitregieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Kurz vor der Abstimmung des Bundesrats über wichtige Teile des Klimapakets haben Länder deutliche Nachbesserungen gefordert - und sind damit auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung gegangen.
Vor allem die zehn Landesregierungen, an denen die Grünen beteiligt sind, werden am Freitag wohl nicht zustimmen. Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung reicht aus ihrer Sicht nicht aus, um Klimaziele zu erreichen. Aber auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderten Änderungen.
«Das Gesetz zum Zertifikatehandel ist in seiner jetzigen Form nicht zustimmungsfähig», sagte Laschet am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Gesetze, die unseren energieintensiven Mittelstand zur Abwanderung aus Deutschland zwingen, sind nicht akzeptabel.»
In NRW-Regierungskreisen hiess es, im Gesetz sei keine Entlastung kleinerer energieintensiver Unternehmen vorgesehen. Das könne für viele kleine und mittelständische Firmen, zum Beispiel in der Papierproduktion oder der Stahlveredelung, das Aus bedeuten.
Das Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen ist ein Kernbestandteil des Klimapakets der Bundesregierung. Es sieht von 2021 an einen festen CO2-Preis im Verkehr und beim Heizen vor - zunächst von 10 Euro, was die Grünen für zu niedrig halten. Ab 2026 soll der Preis in einem Handel mit Verschmutzungsrechten teils dem Markt überlassen werden, aber zunächst bei 60 Euro gedeckelt sein. Die Bundesregierung will mit dem Paket die Klimaziele bis 2030 schaffen.
Zwar ist das Gesetz zum Zertifikatehandel nicht zustimmungspflichtig - aber eine Ablehnung im Bundesrat wäre ein Signal, dass die Länder im Vermittlungsausschuss über ein Gesamtpaket verhandeln wollen. Laschet hat ausserdem eine wichtige Rolle in der CDU.
Eigentlich brauchen nur einige Änderungen im Steuerrecht die Zustimmung der Länder. Dazu gehört die Erhöhung der Pendlerpauschale, die Senkung der Mehrwertsteuer für Bahntickets und die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung. Es gilt als sicher, dass die Länderkammer wegen der Steuermassnahmen den Vermittlungsausschuss einberufen werden - sie fordern mehr Kompensationen für Steuerausfälle.
Am Donnerstagabend wollten sich die Regierungsvertreter aus den Ländern getrennt nach Union, SPD und Grünen noch treffen, um sich abzustimmen.
Durch einen Vermittlungsausschuss könnte der Zeitplan der Koalition ins Wackeln geraten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Mittwoch im Bundestag gesagt, sie hoffe, dass bis Jahresende Lösungen gefunden werden könnten. So soll die Mehrwertsteuersenkung für Bahntickets im Fernverkehr bereits ab Anfang 2020 gelten.
Laschet sagte zum Zertifikatehandel: «Das Gesetz ist gut gemeint und schlecht gemacht. Verlierer sind das Weltklima, unsere Volkswirtschaft und unsere Arbeitnehmer.» Die Länder hätten den Bund bereits vor Wochen gewarnt und gefordert, dass diese Problematik gelöst werden müsse. «Nordrhein-Westfalen wird keinem Gesetz zustimmen, das Betriebe aus Deutschland vertreibt. Wenn Unternehmen abwandern und unter schlechteren Klimagesetzen im Ausland produzieren, ist das ein Rückschlag im Kampf gegen den Klimawandel.»
Bayerns Ministerpräsident Söder forderte eine faire Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern. Er sagte der dpa in München: «Bislang ist es so: Der Bund hat Zusatzeinnahmen, die Länder haben nur Steuerausfälle. Das sollte fair ausgeglichen werden.» Durchgreifende inhaltliche Korrekturen lehnt Söder aber ab. Er sass als CSU-Chef mit am Verhandlungstisch der grossen Koalition im Bund zum Klimapaket.
Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) sagte der dpa, das Klimapaket in der jetzigen Form dürfe im Bundesrat nicht durchgewunken werden. Entscheidend sei nun, was alles in den Vermittlungsausschuss gehe. Neben steuerrechtlichen Fragen müsse auch der CO2-Preis noch einmal verhandelt werden. Eine möglichst zügige Einigung im Vermittlungsausschuss sei zwar «wünschenswert», aber da es um «wesentliche Weichenstellungen» gehe, zähle das Ergebnis. Die Grünen regieren in Baden-Württemberg mit der CDU als Juniorpartner.
Der federführende Finanzausschuss des Bundesrats empfiehlt das Anrufen des Vermittlungsausschusses, eines gemeinsamen Gremiums von Bundesrat und Bundestag. Er verweist auf «erhebliche finanzielle und administrative Belastungen» von Ländern und Kommunen, während aufkommende Einnahmen ausschliesslich beim Bund verblieben. Auch der Umweltausschuss rät, das Gesetz im Vermittlungsausschuss grundlegend zu überarbeiten.
Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), der mit FDP und Grünen regiert, hatte auf Steuerausfälle für Länder und Kommunen verwiesen. In der «Neuen Osnabrücker Zeitung» hatte er zudem einen höheren Einstieg beim CO2-Preis gefordert, der fossile Kraft- und Heizstoffe verteuert - statt 10 Euro 2021 will er 40 Euro pro Tonne Kohlendioxid (CO2).