Zusätzliche Regeln bei Bahn - keine Reservierungspflicht
Wer in der Corona-Krise mit der Bahn fährt, soll sicher sein: Bund und Länder wollen Sitzkapazitäten im Fernverkehr deshalb ausweiten. Für die Bahn ist das ein Kraftakt in finanziell angespannten Zeiten.
Das Wichtigste in Kürze
- Mehr Platz in den Zügen - dafür weniger Plätze, die reserviert werden können: Das sieht der nun getroffene Beschluss von Bund und Ländern zu weiteren Massnahmen in der Corona-Krise vor.
So soll die «Sitzplatzkapazität» der Züge deutlich erhöht werden, um noch mehr Abstand zwischen den Reisenden zu ermöglichen. Als denkbar gilt es, mehr Züge einzusetzen. Die Reservierbarkeit der Sitzplätze soll parallel dazu beschränkt werden.
Einzelheiten soll nun die Bahn festlegen. In einem vorigen Entwurf waren noch konkrete Details genannt, etwa, dass fortan nur Fensterplätze reserviert werden können. Nun steht fest: Eine verschiedentlich geforderte Reservierungspflicht gibt es nicht. Die Bahn und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) lehnen das vehement ab. Sie wollen das «offene System» mit viel Flexibilität unbedingt erhalten.
Auch der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Klaus-Dieter Hommel, hatte vor einer allgemeinen Reservierungspflicht gewarnt: «Das würde dazu führen, dass der Fernverkehr nicht mehr handlebar ist, dass die Belastung für die Beschäftigten viel grösser ist als heute», sagte er der dpa.
Im Beschluss, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Abend nach stundenlangen Verhandlungen mit den Länderchefs vorstellte, heisst es nun lediglich: «Für den Bahnverkehr gilt, den Reisenden, die trotz Einschränkungen reisen müssen, ein zuverlässiges Angebot mit der Möglichkeit, viel Abstand zu halten, anzubieten.» Der Beschluss sieht dazu vor, die Kapazitäten um mehr als 20 Millionen Platzkilometer pro Tag zu erhöhen. Das wird der Konzern vor allem über den Einsatz zusätzlicher Züge stemmen.
Unterdessen verschärft sich für die Deutsche Bahn auch die finanzielle Situation. Wie schon im Frühjahr geht die Auslastung in den Zügen aufgrund der neuen Corona-Infektionswelle derzeit deutlich zurück. Zwar hatte die Bahn das Angebot im November leicht angepasst und etwa Auslandsverbindungen eingestellt. Doch im Grossen und Ganzen hielt der Konzern den Fahrplan ohne grössere Einschränkungen aufrecht.
Inzwischen drohe ein Jahresverlust in Höhe von 5,6 Milliarden Euro, schrieb die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Das gehe aus Unterlagen für die Aufsichtsratssitzung am 9. Dezember hervor. Insider bestätigten der dpa die Zahl als Verlust vor Steuern. Allerdings blieb unklar, ob darin schon die finanzielle Unterstützung des Bundes oder die Auswirkungen durch den erneuten Teil-Lockdown eingerechnet sind.
Aufgrund der hohen Einbussen in diesem Jahr will der Bund als Eigentümer rund fünf Milliarden Euro über eine Eigenkapitalerhöhung zuschiessen. Noch ist das Geld aber nicht ausgezahlt. Die Europäische Kommission muss der Staatshilfe erst noch zustimmen. Vor allem die Güterkonkurrenten der Bahn kritisieren die Unterstützung. Doch auch der Rechnungshof sowie die Bundestagsfraktionen von Grünen und FDP sehen die Massnahme kritisch.
Matthias Stoffregen, Geschäftsführer des Vereins Mofair, in dem die Bahnkonkurrenz im Güter- und Personenverkehr organisiert sind, kritisierte den Beschluss. Insbesondere die Tatsache, dass Bund und Länder der Bahn nun Vorgaben zum operativen Geschäft machten, stimme ihn skeptisch. «Dabei entscheidet dieses doch, wie immer betont wird, wirtschaftlich eigenständig», sagte er mit Blick auf das Unternehmen.
Zudem gehe er davon aus, dass die Bahn zur Erfüllung der Vorgaben einen finanziellen Ausgleich fordern werde. Über ähnliche Massnahmen für andere Verkehrsanbieter sei mit diesen indes nicht gesprochen worden.