Zweite Provinzhauptstadt in Afghanistan fällt an Taliban
Schiberghan gilt als wichtiges Tor in den Norden und Nordosten des Landes. Weniger als 24 Stunden zuvor war die kleine Provinzhauptstadt Sarandsch an der iranischen Grenze praktisch kampflos gefallen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die militant-islamistischen Taliban haben eine zweite Provinzhauptstadt in Afghanistan erobert.
Schiberghan in der Provinz Dschausdschan im Norden des Landes ist an die Islamisten gefallen, bestätigten der Provinzrat Bismillah Sahil, der Vizegouverneur der Provinz Abdul Kadir und ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur.
Weniger als 24 Stunden zuvor war die kleine Provinzhauptstadt Sarandsch in Nimrus an der iranischen Grenze praktisch kampflos an die Taliban gefallen. Die Islamisten belagern noch mehrere weitere der 34 Provinzhauptstädte.
Wichtiges Tor in den Norden und Nordosten
Schiberghan liegt rund 130 Kilometer von Masar-i-Scharif entfernt an einer wichtigen Ost-West-Verbindung in Nordafghanistan. Die Stadt mit geschätzt 130.000 Einwohnern gilt als wichtiges Tor zu den nördlichen und nordöstlichen Regionen des Landes. Sie ist seit langem der Machtsitz des umstrittenen ehemaligen Kriegsfürsten und Ex-Vizepräsidenten Abdul Raschid Dostum.
Als Teil der sogenannten Nordallianz bekämpften seine Milizen im Bürgerkrieg der 1990er Jahre die Taliban. Auch in den aktuellen Gefechten um die Stadt waren seine Milizen unter Führung seines Sohnes im Einsatz.
Den Behördenvertretern und einem Parlamentarier zufolge haben die Islamisten die wichtigsten Regierungsgebäude unter ihrer Kontrolle - das Polizeihauptquartier, das Gefängnis und den Gouverneurssitz. Sicherheits- und Pro-Regierungskräfte haben demnach auch den Sitz des Geheimdienstes und das Haus des ehemaligen Kriegsfürsten Dostum verlassen und sind lediglich noch im Gebiet rund um den Flughafen und in einer Militärbasis.
Massive Gebietsgewinne durch Taliban
Seit dem Beginn des Abzugs der US- und Nato-Truppen Anfang Mai haben die Taliban massive Gebietsgewinne im ländlichen Raum verzeichnet. Sie eroberten zudem mehrere Grenzübergänge. Die US-Militärmission in Afghanistan endet am 31. August. Der Abzug ist US-Angaben zufolge zu mehr als 95 Prozent abgeschlossen.