Coronavirus: Patienten verweigern sich der Forschung
In Sachen Coronavirus ist das Misstrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft gross. Ein Experte erklärt, weshalb diese Entwicklung fatal für die Forschung ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Misstrauen von Covid-Patienten in Ärzte und Forschung ist gross.
- Grund dafür sind kulturelle Hintergründe und die Schutzkleidung, erklärt ein Experte.
- Auch die Politik trage Mitschuld in der Entwicklung der Pandemie.
Forschung ist ein essenzieller Teil der Wissenschaft – denn ohne Forschung steht diese still. Aber beim Thema Coronavirus kehrten viele Bürgerinnen und Bürger der Wissenschaft den Rücken zu.
«Es ist zum Teil ein gewisses Misstrauen gegenüber uns Medizinern spürbar», erklärt Huldrych Günthard gegenüber der «Sonntagszeitung». Er ist leitender Arzt der Klinik für Infektionskrankheiten am Universitätsspital Zürich (USZ).
Lediglich an die 30 Prozent aller Covid-Infizierten auf den Intensivstationen würden einer Studienteilnahme zustimmen. Dies überraschte Günthard, denn: «Bei HIV-Studien, in die ich involviert war, stimmten meistens so 70 bis 80 Prozent zu».
Dem Infektiologen bereitet dies grosse Sorgen: «Nur wenn genügend Leute ihre Daten für die Forschung freigeben, lernen wir, ob neue Therapien etwas bringen oder nicht.»
Coronavirus: Schutzkleidung macht Patienten misstrauisch
Die genauen Gründe für die Ablehnung kenne er nicht, gibt der Arzt zu. Doch eine Erklärung scheint er beim kulturellen Hintergrund vieler Patienten zu finden. «Vielleicht hat die Abneigung uns gegenüber auch mit der Schutzkleidung zu tun.»
Denn Pflegekräfte seien rund um die Uhr von oben bis unten verhüllt. Da sei keine Mimik sichtbar. «Wir sind quasi Roboter. So kann man keine Beziehung zum Patienten aufbauen», so Günthard.
Ärzte beklagen fehlende Unterstützung durch die Politik
Doch nicht nur das Misstrauen der Patienten, auch die fehlende Unterstützung durch die Politik wird beklagt. So hat beispielsweise die Klinik für Infektionskrankheiten am USZ keine zusätzlichen Mittel erhalten.
Der Schweizerische Nationalfonds lehnte zudem vor einigen Jahren ein Gesuch für ein nationales Kompetenzzentrum für virale Erkrankungen ab. Das Thema sei zu wenig relevant, hiess es. «Mit einem solchen Zentrum hätte die Schweiz die Covid-Krise völlig anders bewältigt», meint Günthard.
Er kritisiert auch die Zurückhaltung der Politik in Sachen Coronavirus. «Das hat mit den Masken begonnen, als man die Wirksamkeit infrage stellte.» Auch die fehlende Digitalisierung beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) mache ihm zu schaffen.
«Da hat das BAG schlicht seinen Job nicht gemacht. Bei der Schweinegrippe hatten wir genau dasselbe Problem», kritisiert Günthard. «Und was haben wir zehn Jahre später? Datenübermittlung per Faxgerät, das war schon erbärmlich.»