Neue Erbgutanalyse: Neandertaler lebten in kleinen Gruppen
Eine neue Erbgutanalyse bei «Nature» zeigt, dass die Neandertaler in kleinen Gruppen lebten. Die untersuchten Knochen stammen aus einer sibirischen Höhle.
Das Wichtigste in Kürze
- Unsere früheren Verwandten haben sich in kleinen, engeren Gruppen zusammengefunden.
- Dies zeigt eine weitere Erbgutanalyse der Neandertaler im Fachmagazin «Nature».
- Die Neandertaler-Knochen dafür stammen aus zwei Höhlen in Sibirien.
Neandertaler lebten in kleinen, teils eng verwandten Gruppen. Dies zeigen neue Erbgutanalysen im Fachmagazin «Nature». Für die Untersuchung wurden Knochen von sieben männlichen und sechs weiblichen Individuen benutzt. Ihre knöchernen Überreste wurden in zwei Höhlen Sibiriens entdeckt.
«Wie alle Menschen lebten sie in Gemeinschaften – die Neandertaler assen, schliefen, liebten sich und starben in Gesellschaft ihrer Familie.»
Der schwedische Nobelpreisträger Svante Pääbo entschlüsselte 2010 mit Kollegen erstmals das Erbgut eines Neandertalers. Danach folgten bisher 17 weitere Genome dieser Menschenart.
Ein Team vom Max Planck Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig fügte nun 13 weitere Neandertaler-Genome hinzu. Diese stammen von elf Individuen der Chagyrskaya Höhle und zwei aus der Okladnikov Höhle. Diese liegen gut 100 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt im Altai-Gebirge in Sibirien.
An der Studie waren auch Katerina Douka und Thomas Higham vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien beteiligt. «Unser Team hat mit der Datierung der Neandertaler-Knochen beigetragen», erklärte Higham der Nachrichtenagentur APA.
«Früher dachte man, dass manche Neandertaler der Ohkladnikov Höhle zu den jüngsten bekannten gehörten und sie vor 34'000 Jahren lebten. Wir konnten zeigen, dass diese Knochen viel älter sind, und zwar zwischen 50'000 und 60'000 Jahre alt.»
Neandertaler Teil der gleichen Population
Sieben der Individuen waren männlich, sechs weiblich, acht waren Erwachsene, fünf Kinder und Jugendliche. Alle waren Teil derselben Population. Sie unterschieden sich genetisch deutlich von früher untersuchten Bewohnern der 100 Kilometer östlich befindlichen Denisova Höhle.
Unter den Chagyrskaya-Neandertalern waren ein Vater und seine Teenager-Tochter. Ausserdem zeigten die Knochen eines jungen Knaben Verwandtschaft zweiten Grades mit den Gebeinen einer erwachsenen Frau. Es handelte sich vielleicht um seine Grossmutter, Tante oder Cousine, so die Forscher in einer Aussendung.
Bei manchen der Individuen gab es auch «sehr kurzlebige genetische Varianten» (nämlich zugleich zwei unterschiedliche Versionen mitochondrieller DNA). Sie werden mütterlich vererbt, verschwinden innerhalb weniger Generationen und weisen somit auf nahe Verwandtschaft hin. Dies war zum Beispiel bei zwei Männern der Fall, die eventuell eine gemeinsame Grossmutter hatten.
Wie bei Berggorillas
Die Neandertaler der Chagyrskaya Höhle lebten und starben demnach alle etwa zur selben Zeit. «Nachdem sie also Zeitgenossen waren, gehörten sie höchstwahrscheinlich alle zu einer Gruppe», meint Skov. Ihre extrem eingeschränkte genetische Vielfalt würde zu einem sehr kleinen Trupp von nur zehn bis zwanzig Leuten passen.
«Dies sind viel weniger als man von frühen oder heutigen Gemeinschaften anatomisch moderner Menschen kennt», so die Forscher. Solch kleine genetische Gruppen würde man hingegen bei gefährdeten Arten beobachten, die am Rande des Aussterbens stehen. Ein Beispiel dafür wären die Berggorillas.
So ganz isoliert lebten die Neandertaler-Grüppchen aber doch wieder nicht: Offensichtlich zogen vor allem Frauen immer wieder zu anderen Gruppen. Ihre mitochondrielle DNA, die von den Müttern vererbt wird, zeigte nämlich deutlich grössere Vielfalt als die Y-Chromosomen. Diese werden von den Vätern an die Söhne weitergegeben. Dies lässt auf grösseren weiblichen als männlichen «externen Input» zur Sippe schliessen.