Taskforce-Experte Neher: Schwere künftiger Wellen nicht abschätzbar
Die Wandelbarkeit des Coronavirus überrascht die gesamte Fachwelt. Laut dem Taskforce-Experten Neher sei es schwierig künftige Wellen abzuschätzen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Fachwelt hat bei keinem anderen Virus eine so sprunghafte Evolution beobachtet.
- Die Wandelbarkeit des Coronavirus überrascht die gesamte Fachwelt.
- Laut Neher ist die Zahl der Immunnaiven weiterhin zu gross.
Eine solche sprunghafte Evolution in so kurzer Zeit wie beim Coronavirus hat die Fachwelt bisher bei keinem anderen Virus beobachtet. Das sagt Richard Neher, Biophysiker an der Universität Basel. Man müsse auf weitere Überraschungen gefasst sein.
So sei noch nicht abschätzbar, wie das «neue Normal» in Zukunft aussehen könnte. Das sagte Richard Neher in einem auf der Webseite seiner Hochschule veröffentlichten Interview. Dass aber neue Varianten uns wieder zurück auf Feld eins in der Bekämpfung der globalen Gesundheitskrise versetzen könnte, sei unwahrscheinlich.
Die inzwischen hohe Immunität gegen das Coronavirus in der Bevölkerung zeichne sich nicht nur durch einen Schutz durch Antikörper aus. Bei denen ein Virus schnell entkommen könne, sondern auch durch die zelluläre Immunität. «Und diese T-Zellen-Immunität ist für das Virus sehr viel schwieriger zu umgehen. Dies weil unsere T-Zellen im Gegensatz zu Antikörpern das Virus an vielen unterschiedlichen Teilen erkennen», so der Taskforce-Experte.
Wandelbarkeit des Coronavirus überrascht Fachwelt
Dennoch: Die Wandelbarkeit des Coronavirus hat selbst die Fachwelt überrascht. Omikron oder Alpha hätten sich an vielen Stellen verändert, «ohne dass wir Vorläufer beobachtet haben.»
Allein von Omikron zirkulierten derzeit drei Varianten, mit teils unterschiedlichen Mutationen: Die Hauptvariante BA.1, die Schwestervariante BA.2, die in Skandinavien, Indien und den Philippinen bereits dominant sei, sowie die Variante BA.3, die nur eine sehr geringe Verbreitung aufweise.
«Das allein macht die Herkunft von Omikron noch mysteriöser. Diese atypische Evolution können wir bis heute nicht erklären», sagte Neher.
Leichteren Krankheitsverlauf als die Delta-Variante
Der Subtyp BA.2 ist gemäss dem neuesten Wochenbericht der wissenschaftlichen Taskforce in der Schweiz noch sehr selten. Die Entwicklung der Fallzahlen daher noch ungewiss.
Der Basler Experte vermutet, dass BA.2 weiter zunehmen, dominant werden und einen zweiten Peak verursachen könnte. Oder sich dadurch die Omikronwelle einfach ein wenig verlängere.
Die Omikron-Variante scheint einen leichteren Krankheitsverlauf zu verursachen als die Delta-Variante. Das bedeute dennoch nicht, dass alle Infektionen mild verlaufen würden. «Auch eventuelle Langzeitfolgen der Infektion sind unbekannt. Die Impfung ist Omikron definitiv vorzuziehen», sagte Neher.
Zahl der Immunnaiven zu gross
Für die Zukunft kann sich der Virenexperte vorstellen, dass sich eine Variante wie Omikron weiterentwickeln könnte. Zudem könnte eine andere Variante wie Delta wieder aufleben oder eine neue entstehen. «Ebenfalls möglich wäre die Entwicklung von Hybriden, also die Entstehung neuer Varianten durch die Rekombination alter Varianten. Etwas was wir von Coronaviren bereits kennen.»
Neher betonte ebenfalls, dass das derzeitige Auf und Ab noch zu schnell sei, um von einer endemischen Lage zu sprechen. Zudem sei die Zahl der Immunnaiven, also der weder Geimpften noch Genesenen, noch zu gross. Und selbst wenn Omikron nun den Umbruch von der Pandemie in die Endemie einläute, bedeute endemisch nicht zwangsläufig mild. Denn das Virus wird bleiben, vermutlich saisonal zirkulieren.
Wie künftige Wellen aussehen, wann genau diese kommen würden, sei im Moment noch unklar. «Es könnte schlimmer oder auch weniger schlimm als die typische Grippewelle sein», so Neher.