Tauende Permafrost-Böden bedrohen Infrastruktur – auch Erdgasimport
Durch das Auftauen des Permafrostbodens entweichen Treibhausgase und erwärmen die Erde weiter. Das dürfte laut Forschern zu hohen Infrastruktur-Schäden führen.
Das Wichtigste in Kürze
- Klimawandel lässt den Permafrost-Boden in nördlichen Regionen immer schneller auftauen.
- 30 bis 50 Prozent der Gebäude und Infrastruktur-Einrichtungen sind von Schäden bedroht.
Die Erderhitzung taut Eis im Permafrostboden auf. Dadurch entweichen Treibhausgase und erwärmen die Erde weiter. Forscher erwarten zudem hohe Schäden, weil Häuser und Strassen geschädigt werden. Sie geben aber auch einige Hinweise darauf, wie diese zu vermindern sind.
Der Klimawandel lässt den dauerhaft gefrorenen Boden in nördlichen Regionen und einigen Gebirgen immer schneller auftauen. 30 bis 50 Prozent der Gebäude und Infrastruktur-Einrichtungen in diesen Gebieten sind deshalb bis 2050 von Schäden verschiedener Schweregrade bedroht.
Zu diesem Ergebnis kommt der Übersichtsartikel einer internationalen Forschergruppe um Jan Hjort von der University of Oulu (Finnland) im Fachjournal «Nature Reviews Earth & Environment». Ein Teil der Schäden könnte in russischen Gebieten auftreten, in denen Erdgas gefördert wird. Auch die Schweiz bezieht fast die Hälfte der Gasimporte aus Russland.
Aufgetaute Erde bewegt sich, Schäden an Bauten
In vielen weit nördlich gelegenen Gebieten liegt das Wasser im Boden als Eis vor. Im Sommer tauen teilweise die oberen ein bis zwei Meter auf und gefrieren im Winter wieder. Die Erderwärmung führt dazu, dass weite Teile des Permafrost-Bodens immer tiefer auftauen. Weil das Eis dem Boden zusätzlichen Halt gibt, werden die tauenden Böden – je nach Bodenart und enthaltener Eismenge - zunehmend instabiler, es treten Absenkungen und Erdrutsche auf.
In etwa 65 Prozent des russischen Staatsgebiets gibt es derzeit Permafrost-Böden; Russland ist deshalb besonders vom Tauen des Bodeneises betroffen. «Zu Beginn des 21. Jahrhunderts weisen viele Gebäude auf Permafrost Deformationen auf, von etwa zehn Prozent der Bauten in Jakutsk und Norilsk bis hin zu 80 Prozent der Bauten in Workuta», schreiben die Wissenschaftler. Betroffen von Schäden sind auch viele Strassen, Eisenbahnstrecken, Landepisten und Pipelines. Dies gilt auch für Kanada, Alaska und Grönland sowie die Hochebene von Tibet.
Eine Milliarde Unkosten im Jahr
Allein für die Reparatur der Schäden, die in Russland durch tauenden Permafrost-Boden am bestehenden Strassennetz entstehen, müssten von 2020 bis 2050 etwa sieben Milliarden US-Dollar aufgebracht werden, schreiben die Forscher. Hinzu kämen jährlich 200 bis 500 Millionen US-Dollar für die Erreichung der Ziele der russischen Verkehrsstrategie. Für den Ersatz von Wohnhäusern würden weitere 500 bis 600 Millionen US-Dollar pro Jahr benötigt.
Das Team um Hjort berichtet jedoch auch von verschiedenen technischen Massnahmen, mit denen Schäden an Strassen verringert oder sogar vermieden werden können. Einige Verfahren zielen darauf ab, Wärme aus dem Untergrund abzuführen, etwa mit lockeren Gesteinsschüttungen, in denen ein natürlicher Luftkreislauf entsteht, der wärmere Luft nach oben fördert.
Auch Thermosiphons, Wärmedrainagen und sehr flache Seitenstreifen haben einen ähnlichen Effekt. Andere Massnahmen verringern die Wärmeaufnahme im Sommer, etwa ein höherer Fahrbahnuntergrund oder dessen Isolierung, ein Sonnenschutz für die Seitenbereiche oder eine stark reflektierende Asphaltdecke. All dies kostet aber mehr als die bisher üblichen Bauverfahren.
Treibhausgase und andere Schadstoffe freigesetzt
Der tauende Permafrost-Boden ist aus verschiedenen Gründen im Fokus von Wissenschaftlern. So speichert der gefrorene Boden viel Kohlenstoff, der teilweise in Form der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) in die Atmosphäre gelangt.
Auch zahlreiche Schadstoffe könnten in den kommenden Jahrzehnten freigesetzt werden, wie kürzlich einer Studie im Fachmagazin «Nature Climate Change» zu entnehmen war. Denn giftige oder radioaktive Abfälle haben in manchen Regionen den Boden verseucht, was wegen des Dauerfrostes bisher unproblematisch war.
Auch uralte Bakterien, die teilweise resistent gegen Antibiotika sind, können durch das Tauen wieder zum Leben erweckt werden, wie vereinzelt schon Vorfälle gezeigt haben.